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Jahresbericht 2005 / 2006, Teil 1

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Inhalt

Impressum

Vorwort

Erwartungen der Gesellschafter an das IMEW

Eine Bilanz aus Sicht des Kuratoriums

Wissenschaftlicher Beirat

Ethik-Forum

Unsere Gremien

Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Unser wissenschaftliches Profil

Wissenschaftliche Politikberatung

Wissenschaft für die Praxis

Wissenschaft und Gesellschaft im Dialog

Informationen - zugänglich gemacht

Impressum

Herausgegeben vom Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft gGmbH (IMEW)

Texte: Katrin Grüber, Sigrid Graumann, Barbara Schmelz, Stefan Schenck

V.i.S.d.P. : Katrin Grüber

Lektorat: Hildegard Loeb-Ullmann

Stand: September 2007

Die Printversion dieses Jahresberichts ist kostenlos erhältlich beim IMEW, Warschauer Straße 58a, 10243 Berlin, Tel.: 030-293817-70, Fax: 030-293817-80, Email: info@imew.de
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Das IMEW wird gefördert durch die Aktion Mensch.

Das IMEW ist Mitglied in der European Association of Centres of Medical Ethics (EACME) und institutionelles Mitglied des Netzwerks TA.

Vorwort

Das Themenfeld "Biomedizin und Bioethik" ist gesellschaftspolitisch von großer Relevanz. Das Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft (IMEW) wurde gegründet, um auf wissenschaftlicher Basis dieses Themenfeld um die Perspektive von Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen wirkungsvoll zu erweitern. Eine zentrale Aufgabe des Institutes besteht darin, eine Transferfunktion zwischen Wissenschaft, Politik und der Öffentlichkeit wahrzunehmen.

Der vorliegende Bericht gibt Ihnen einen guten Überblick über die vielfältigen Aktivitäten und positiven Entwicklungen des IMEW in den Jahren 2005 und 2006.

In diesen zwei Jahren waren wir bundes- und europaweit aktiv:

  • in Berlin, wo wir die Fachöffentlichkeit zu den Friedrichshainer Kolloquien einladen, die Abgeordneten im Deutschen Bundestag beraten und die interessierte Öffentlichkeit zu den Friedrichshainer Gesprächen bitten,
  • in München, Dresden, Witten bei Veranstaltungen mit unseren Kooperationspartnern,
  • in Reykjavik und London im Rahmen des Projektes zu Biobanken.

Unsere Website www.imew.de wird vor allem in Deutschland und dem deutschsprachigen Europa genutzt. Die Anzahl der Web-Besuche ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen und ging 2006 auf die 150.000 zu. Diese hohe Zahl zeigt, dass die Themen des IMEW gefragt sind und abgefragt werden. Dies gilt auch für die zahlreichen Publikationen zu gesellschaftlich relevanten Themen wie dem Umgang mit Sterben und Tod, der Pränataldiagnostik und dem Themenkomplex Ethik und Behinderungen.

Eine weitere wichtige Aufgabe des IMEW ist es, die Perspektive von Menschen mit Behinderung in wissenschaftlichen Diskursen zu etablieren. Hier hat das IMEW einen wichtigen Erfolg bei der bioethischen Thesaurus-Redaktion erreicht. In der dritten Ausgabe des Thesaurus wird, dank der angenommenen Vorschläge des IMEW, der interdisziplinäre Forschungsansatz der Disability Studies sichtbar gemacht. Außerdem wird die medizinische Sicht auf Behinderung durch eine gesellschaftliche Perspektive ergänzt. Dies ist ein konkreter Beitrag im Hinblick auf dem Weg zur Verwirklichung der Vision des IMEW, der Verankerung von Disability Mainstreaming in Wissenschaft Politik und Gesellschaft.

Die Berufung von Dr. Sigrid Graumann in die Zentrale Ethikkommission der Bundesärztekammer ist sowohl als Anerkennung der wissenschaftlichen Leistungen der Person von Frau Dr. Graumann als auch der Arbeit des Institutes zu werten.

Mit dem IMEW-Nachwuchspreis hat das IMEW ein Zeichen gesetzt: Die Perspektive von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen muss stets gehört und berücksichtigt werden. Wir waren erfreut, dass so viele Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler diesen Vorsatz in ihren hochqualifizierten Einsendungen berücksichtigt haben.

Ohne die großzügige Förderung der Aktion Mensch wären die Fortschritte des IMEW in den Jahren 2005 und 2006 nicht möglich gewesen. Danken möchten wir auch für die Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der Gesellschafterversammlung, des Kuratoriums und des Wissenschaftlichen Beirates, sowie für die Unterstützung unserer Förderer und Spender. Dieser Jahresbericht soll ausdrücklich auch eine Werbung für eine Fortsetzung dieser Zusammenarbeit und Unterstützung sein.

Dr. Katrin Grüber
Leiterin des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft

Erwartungen der Gesellschafter an das IMEW

Die Initiative zur Gründung des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft (IMEW) geht zurück auf das Jahr 1998, als in Deutschland eine intensive gesellschaftspolitische Debatte darüber geführt wurde, ob die Bundesrepublik das Europäische Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin unterzeichnen sollte. Die so genannte Bioethik-Konvention sollte das Tor zur fremdnützigen Forschung an nicht einwilligungsfähigen Menschen öffnen und unterschied in Bezug auf die Fähigkeit, Träger von Rechten zu sein, zwischen Menschen und Personen.

Dies nahmen die das IMEW tragenden Verbände zum Anlass, einen Ort zu schaffen, der vor dem Hintergrund historischer Reflexion ein Wächteramt über das Lebensrecht und die Würde behinderter und chronisch kranker Menschen innehaben sollte. Das IMEW erhielt den Auftrag, die biomedizinische und gesundheitsethische Entwicklung aus Sicht von Menschen mit Beeinträchtigungen wahrzunehmen und kritisch zu begleiten.

In den Jahren seit Gründung des IMEW hat sich vielfach bestätigt, dass es durch wissenschaftlich und ethisch fundierte Arbeit gelingen kann, den Blick auf Gentechnik und Biomedizin aus der verbreitet einseitigen Ausrichtung auf das Machbare zu lösen und für die Belange und Interessen behinderter und chronisch kranker Menschen zu schärfen.

In einem kontinuierlichen Prozess der interdisziplinären Befassung mit ethisch relevanten Fragestellungen zielt das IMEW darauf, die besondere Perspektive von Menschen mit Beeinträchtigungen in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zu verankern. Seine Arbeit gründet auf Achtung und Wertschätzung behinderter und chronisch kranker Menschen.

Für die Zukunft richten die Gesellschafterverbände die Erwartung an das IMEW, dass die von Beginn an fruchtbaren Bemühungen, auf ethischem Felde einen Beitrag zur Verwirklichung von Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft zu leisten, konsequent fortgeführt werden. Zugleich wünschen sich die Verbände, dass die Arbeit des IMEW breite Aufmerksamkeit und Anerkennung in der Bürgergesellschaft finden möge. Denn nur mit nachhaltiger Unterstützung von Freunden und Förderern werden sie die Existenz des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft über die Zeit der großzügigen Anschubfinanzierung durch die Aktion Mensch hinaus sichern können.

Ina Krause-Trapp
Vorsitzende der Gesellschafterversammlung des IMEW

Eine Bilanz aus Sicht des Kuratoriums

Bei der Eröffnungsveranstaltung vor fünf Jahren haben die Gründungsgesellschafter des IMEW deutlich gemacht, dass sie ein Institut aufbauen wollten, das für die deutsche Behindertenbewegung eine Plattform und eine Beratungsstelle im Bereich bioethischer Wissenschaften bildet. Ziel sollte außerdem sein, die bioethische Diskussion in Wissenschaft und Politik zu bereichern und die Stellung von Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft zu stärken.

Heute kann man ohne Übertreibung sagen: Das IMEW hat diese Erwartungen mehr als erfüllt und sich bereits in den ersten Jahren ein beachtliches Renommee erarbeitet. Dazu hat auch beigetragen, dass es bei komplexen oder tagespolitischen Fragestellungen nicht voreilig Antworten liefert, sondern sich dazu erst nach einem Reflektionsprozess äußert. Auf dieser Anerkennung in der Wissenschaftsszene und innerhalb der deutschen Behindertenbewegung kann nun für die nächsten Jahre Erfolg versprechend weiter aufgebaut werden.

Das Institut hat ein inhaltliches und methodisches Profil, das sich klar von anderen Ethikinstituten unterscheidet. Mit der Gründung des IMEW wurde eine Lücke in der bisherigen akademischen Ethik-Landschaft geschlossen. Das Institut hat Diskurse an anderen Orten, insbesondere in der Wissenschaft, aber auch in den Behindertenverbänden verändert. Es hat die Verbände, aber auch die Politik in vielen wichtigen Fragen beraten.

Mit Sorge sehe ich allerdings, dass die Stellung behinderter Menschen in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren zwar einerseits gestärkt wurde, dass aber noch viel zu tun ist, um dem Ziel der Verankerung der Perspektive von Menschen mit Behinderung in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft näher zu kommen. Wenn man die politische Lage mit der zur Zeit der Institutsgründung vergleichen würde, so könnte man sagen, das Institut sei heutzutage geradezu notwendiger als damals.

Umso wichtiger ist es, dass es dem IMEW gelingt, seine Vision umzusetzen: die Verankerung von Disability Mainstreaming in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Die Belange und Interessen von Menschen mit Behinderung müssen stets am Beginn aller Vorhaben vom Gesetzgeber berücksichtigt und nicht erst im Nachhinein von den Verbänden angemahnt werden.

Damit das Institut seine gute Arbeit unabhängig und wirkungsvoll fortsetzen kann, bitte ich Sie um Ihre inhaltliche, aktive und finanzielle Unterstützung und wünsche uns allen, besonders aber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Glück und Erfolg für die nächsten Jahre.

Robert Antretter
Vorsitzender des Kuratoriums des IMEW

Wissenschaftlicher Beirat

Der Wissenschaftliche Beirat wird vom Kuratorium gewählt und hat die Aufgabe, die wissenschaftliche und beratende Tätigkeit des Instituts und der Projektbearbeiterinnen und Projektbearbeiter zu begleiten und zu fördern. Darüber hinaus repräsentiert er die Wissenschaftlichkeit des Instituts gegenüber wissenschaftlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie der öffentlichen und privaten Wissenschaftsförderung. Zurzeit gehören dem Wissenschaftlichen Beirat 18 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an.

Workshop: Mit schwerer Behinderung leben

Vom 15. bis 16. März 2005 führte der Wissenschaftliche Beirat einen Workshop zum Thema "Mit schwerer Behinderung leben" durch.

IMEW-Preis und IMEW-Nachwuchspreis

Auf Anregung des Wissenschaftlichen Beirates schrieb das IMEW 2006 erstmalig zwei Preise für wissenschaftliche Arbeiten aus, die die gesellschaftlichen und kulturellen Voraussetzungen und Folgen der medizinischen Forschung und Praxis behandeln und damit einen Beitrag zur Gleichberechtigung und Anerkennung von chronisch kranken und behinderten Menschen leisten: den IMEW-Preis und den IMEW-Nachwuchspreis. Die festliche Preisverleihung fand am 23. Oktober 2006 in Berlin statt.

Der IMEW-Preis wurde Prof. Eva Feder Kittay für ihr Gesamtwerk verliehen. Prof. Kittay, Philosophin an der State University of New York und Mutter einer schwer behinderten Tochter, ist eine international bekannte Ethikerin, die eine feministische Care-Ethik vertritt und dabei die Perspektive von Menschen mit Behinderung besonders akzentuiert. Die Jury stellte in ihrer Begründung fest, dass Prof. Kittay mit ihrer Arbeit dem Gründungsanliegen des IMEW auf besondere Weise gerecht wird.

"Es ist nicht eine einzige besondere Leistung Eva Feder Kittays, sondern ihre ganze Arbeit, die mit der Preisvergabe ausgezeichnet werden soll. Ich füge, Ihrer Zustimmung, meine Damen und Herren, gewiss, hinzu: Es ist der ganze Mensch, den wir hier ehren."

Prof. Dr. Dietmar Mieth in seiner Laudatio

Der IMEW-Nachwuchspreis wurde an die Pflegewissenschaftlerin und Philosophin Anika Mitzkat von der privaten Universität Witten-Herdecke für ihre Arbeit "Die Stellung der Angehörigen in der Gesundheitsversorgung im Licht des Dritten" vergeben. Sie wurde unter den Einsendungen in einem anonymen Begutachtungsverfahren vom Wissenschaftlichen Beirat ausgewählt. Die Arbeit wurde in der Reihe IMEW Expertise veröffentlicht.

"… sehr gerne habe ich dieses Grußwort übernommen, da ich die Ausrichtung und den Ansatz des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft sehr schätze: nämlich die moderne Biomedizin im gesellschaftlichen Kontext zu betrachten, die Auswirkungen naturwissenschaftlicher Forschung auf die Normen, Vorstellungen und Regeln unseres Zusammenlebens hin zu überprüfen und damit wissenschaftliche Entwicklungen, die notwendig vorauslaufend und elitär sein müssen, demokratisch und zivilgesellschaftlich einzuholen. Das Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft tut dies durch hervorragend besetzte Gremien und sehr engagierte Mitarbeiterinnen, die einen interdisziplinären Ansatz verfolgen und naturwissenschaftliche, geistes- und sozialwissenschaftliche Perspektiven miteinander verbinden. Vor allem tun sie es aber, indem sie die Perspektive derjenigen Menschen einbringen, die nicht den Idealen von Autonomie und Selbstbestimmung entsprechen."

Susanna Schmidt, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, in ihrem Grußwort zur Preisverleihung

Ethik-Forum

Im Ethik-Forum organisieren die Gesellschafter-Verbände des IMEW den Austausch über politisch aktuelle ethische Fragen und erarbeiten Vorschläge für gemeinsame Stellungnahmen. Zu den wichtigen Aufgaben des Instituts gehört es, die Verbände dabei zu beraten. Die Stellungnahmen können hier abgerufen werden.

UNESCO-Deklaration über Bioethik und Menschenrechte

Gemeinsame Stellungnahme der Gesellschafterverbände des IMEW vom 29. August 2005

Anlässlich der UNESCO-Deklaration über Bioethik und Menschenrechte wurde eine Stellungnahme verabschiedet, in der sich die Verbände gegen die Formulierungen zur Forschung mit nichteinwilligungsfähigen Menschen wenden. Die Stellungnahme wurde den zuständigen Ministerien und dem Bundespräsidenten übersandt.

"Gestern haben sich nun die wichtigsten Verbände der Behindertenhilfe, darunter die Lebenshilfe, der Sozialverband VdK, die Caritas Behindertenhilfe und die Initiative Selbstbestimmt Leben, sowie die BAG Hilfe für Behinderte zu Wort gemeldet. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die UNESCO-Erklärung in der vorliegenden Form nicht zu unterstützen. Auch wenn es sich bei der Erklärung wie meist bei Konventionen auf internationaler Ebene um ein Kompromißpapier handelt, so die Verbände, sei die Bundesregierung gefordert, die biopolitische Grundhaltung der Bundesrepublik, wie sie sich auch in der Allgemeinen Erklärung der UNESCO über das menschliche Genom und die Menschenrechte spiegele, weiterhin konsequent zu verfolgen."

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 31. August 2005

Es ist davon auszugehen, dass die Erklärung der Verbände nicht ohne Folgen blieb. Die Bundesregierung hat zwar der Konvention zugestimmt, wies aber in einer Erklärung zur Stimmabgabe auf das "hochsensible" Thema der fremdnützigen Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen hin.

Prädiktive Gentests

Gemeinsame Stellungnahme der Gesellschafterverbände des IMEW vom 6. April 2006

In einer Stellungnahme zu Prädiktiven Gentests wurde die Gefahr einer genetischen Diskriminierung von leiblichen Familienangehörigen behinderter Menschen durch Arbeitgeber und private Versicherungen thematisiert.

"Die Nutzung von genetischen Daten durch Arbeitgeber und Versicherungen kann mit einem erheblichen Diskriminierungspotenzial für Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten und für deren leibliche Angehörige verbunden sein. Das Gendiagnostikgesetz, das in der letzten Legislaturperiode diskutiert, aber auf Grund der vorgezogenen Neuwahlen nicht mehr verabschiedet wurde, sah im Unterschied zur kürzlich verabschiedeten Stellungnahme des Nationalen Ethikrats einen weitgehenden Diskriminierungsschutz Betroffener vor. Mit der vorliegenden Stellungnahme fordern die unterzeichnenden Verbände die Abgeordneten des Deutschen Bundestags auf, die Nutzung genetischer Daten durch Arbeitgeber und Versicherungen im Sinne eines konsequenten Schutzes der Betroffenen vor Diskriminierung zu regeln. Vor dem Hintergrund der bestehenden Benachteiligung auf dem Arbeits- und Versicherungsmarkt und insbesondere der zunehmenden Bedeutung der privaten Altersvorsorge, kommt dieser Forderung für Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten sowie für deren Angehörige besondere Bedeutung zu."

Gemeinsame Stellungnahme der Gesellschafterverbände des IMEW vom 6. April 2006

Zur Zukunft der ethischen Politikberatung in Deutschland

Gemeinsame Stellungnahme der Gesellschafterverbände des IMEW vom 19. Oktober 2006

Zur geplanten Überführung des Nationalen Ethikrats in den Deutschen Ethikrat haben die Verbände mit ihrer Stellungnahme "Zur Zukunft der ethischen Politikberatung in Deutschland" ein plural besetztes und demokratisch legitimiertes Gremium gefordert.

"Betroffene und interessierte Bürgerinnen und Bürger wollen nicht lediglich informiert werden, sie wollen sich an Diskussionen und Entscheidungsfindungen beteiligen. Ein Beratungsgremium muss daher mit öffentlichen Veranstaltungen und Anhörungen die betroffenen und interessierten Bürgerinnen und Bürger in seine Beratungen einbeziehen."

Gemeinsame Stellungnahme der Gesellschafterverbände des IMEW, 19. Oktober 2006

Inhaltliche Ausweitung der Pränataldiagnostik

Gemeinsamer Brief der Gesellschafterverbände des IMEW vom 9. November 2006

Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt war die Regulierung der Angebote der Pränataldiagnostik. Hierzu wurde ein Brief der Verbände an den Präsidenten der Bundesärztekammer verfasst, mit dem beabsichtigt ist, die Verbände mit der Ärzteschaft in Bezug auf die Lösung der Probleme der Pränataldiagnostik ins Gespräch zu bringen.

Unsere Gremien

Das Institut hat drei Gremien mit jeweils unterschiedlichen Aufgaben: die Gesellschafterversammlung, das Kuratorium und den Wissenschaftlichen Beirat

Gesellschafterversammlung

Klaus Seidenstücker, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus e.V. (ASbH), Münsterstr. 13, D-44145 Dortmund.

Christoph Nachtigäller, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAG SELBSTHILFE), Kirchfeldstr. 149, D-40215 Düsseldorf.

Rolf Drescher, Geschäftsführer des Bundesverbands evangelische Behindertenhilfe e.V. (BeB), Postfach 33 02 20, D-14172 Berlin.

Norbert Müller-Fehling, Geschäftsführer des Bundesverbands für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V. (BVKM), Brehmstr. 5-7, D-40239 Düsseldorf.

Dr. Bernhard Conrads, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. (BVLH), Raiffeisenstr. 18, D-35043 Marburg.

Dr. Ursula Wollasch, Geschäftsführerin der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP), Karlstr. 40, D-79104 Freiburg i. Br.

Barbara Vieweg, Geschäftsführerin der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL), Herrmann-Pistor-Str. 1, D-07745 Jena.

Josef Müssenich, Geschäftsführer des Sozialverbands VdK Deutschland e.V., Wurzerstr. 4a, D-53175 Bonn.

Ina Krause-Trapp, Geschäftsführerin des Verbands für anthroposophische Heilpädagogik, Sozialtherapie und soziale Arbeit e.V., Schloßstr. 9, D-61209 Echzell-Bingenheim.

Kuratorium

Robert Antretter (Vorsitzender)

Prof. Dr. Dr. Dr. hc. mult. Ernst-Wolfgang Böckenförde

Pastor Dr. Johannes Feldmann

Andrea Fischer, Ministerin a.D.

Dr. Rüdiger Grimm

Christian Judith

PD Dr. Ute Lindauer

Prof. Dr. Jeanne Nicklas-Faust

Friedel Rinn

Josef Ströbl

Dr. Michael Wunder

Dr. Alexander Vater

Alfred Zinke

Wissenschaftlicher Beirat

Prof. Dr. Dr. Dr. hc. Günter Altner

Dott. Paolo Bavastro

Prof. Christel Bienstein

Prof. Dr. Markus Dederich

Prof. Dr. Theresia Degener

Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner

Prof. Dr. Wolfram Höfling, M.A.

Swantje Köbsell

Prof. Dr. Regine Kollek

Univ.-Prof. Dr. Elisabeth List

Prof. Dr. Dietmar Mieth (Vorsitzender)

Dr. Christian Mürner

Prof. Dr. Josef Priller

Prof. Dr. Ute Sacksofsky, M.P.A.

Apl. Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl

Prof. Dr. med. Sabine Stengel-Rutkowski

Prof. Dr. Anne Waldschmidt

Priv.-Doz. Dr. Andreas Zieger

Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Am Institut arbeiten fünf feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unterschiedlichen Bereichen. Sie werden durch zeitweise beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Praktikantinnen und Praktikanten unterstützt.

Institutsleitung

Dr. Katrin Grüber, Biologin, ist Geschäftsführerin und Leiterin des Institutes. Über die Geschäftsführungstätigkeiten hinaus ist sie mit Forschungsaufgaben, Öffentlichkeitsarbeit (Publikationen und Veranstaltungen) sowie der Beratung und Betreuung der Praktikantinnen und Praktikanten befasst. Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind insbesondere: Patientenverfügung, Pränataldiagnostik, Gendiagnostik, Biobanken, Enhancement und Behinderung, Wissenschaftsforschung, das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft sowie das Verhältnis des Gesundheitssystem aus der Perspektive von Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen.

Wissenschaftliche Tätigkeit

Dr. Sigrid Graumann, Biologin und Ethikerin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin. Ihre Schwerpunkte liegen in der Forschungs- und Beratungstätigkeit. Sie beschäftigt sich mit aktuellen medizin- und wissenschaftsethischen Fragen wie der prädiktiven Gendiagnostik, der vorgeburtlichen Diagnostik, der somatischen Gentherapie, der Embryonalen Stammzellforschung und der klinischen Forschung sowie mit ethischen Grundlagenfragen wie der Anerkennung der Würde und Rechte behinderter Menschen und der Patientenselbstbestimmung und eigenverantwortung in der medizinischen Forschung und Praxis.

Wissenschaftliche Dokumentation

Barbara Schmelz ist Wissenschaftliche Dokumentarin mit langjähriger Berufserfahrung in der Information und Dokumentation und im Informationsmanagement. Sie baut die Dokumentation auf mit den Bereichen Präsenzbibliothek, Dokumentenarchiv und Literaturdatenbank. Ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt ist außerdem die Website des Institutes, die sie konzeptionell und redaktionell betreut.

Fundraising

Stefan Schenck, Diplomkaufmann, ist seit Mai 2007 als Fundraiser für das IMEW tätig. Er hat jahrelange Erfahrung im Fundraising und war von 2000 bis 2007 ehrenamtliches Mitglied im Vorstand der Lebenshilfe Berlin e.V.

Sekretariat

Astrid Entezami ist Sekretärin. Besondere Schwerpunkte ihrer Tätigkeit sind die Vor- und Nachbereitung von Gremiensitzungen, Betreuung von Referenten, z.B. für das Friedrichshainer Kolloquium, die Vorbereitung von Veranstaltungen, die Betreuung der Adress-Datenbank und die Buchhaltung.

Wissenschaftliche Beratung des IMEW

Dr. Rainer Hohlfeld, Biologe und Soziologe, ist seit August 2005 als wissenschaftlicher Berater insbesondere für das Projekt zu Biobanken tätig.

Lektorat

Torsten Kulick, Dokumentar, hat von Oktober 2005 bis Mai 2006 schwerpunktmäßig Lektoratstätigkeiten ausgeführt und die Publikationen betreut.

Praktikum

Ute Kalender, Soziologin, hat von Mitte Dezember 2005 bis März 2006 im Rahmen eines Praktikums insbesondere die Handreichung "Sterbebegleitung von Menschen mit Behinderung in Einrichtungen" erstellt.

Viola Melzer, Biologin, war im Jahre 2005 für einige Monate im Rahmen einer MAE-Maßnahme im Bereich Dokumentation bei der Verschlagwortung tätig.

Cordula Mock, Europäische Ethnologin, hat im Rahmen ihres Praktikums im Herbst 2006 insbesondere Stellungnahmen zur Pränataldiagnostik ausgewertet. Die Ergebnisse werden als Expertise 8 des IMEW erscheinen.

Studentische Hilfskraft

Annett Kosubek, Geographin, hat von Oktober 2005 bis Juni 2006 im Sekretariatsbereich gearbeitet und Recherchen insbesondere für Projekte durchgeführt.

Unser wissenschaftliches Profil

Das wissenschaftliche Profil des IMEW beruht auf drei Säulen: erweiterter Interdisziplinarität, Perspektivität und Praxisrelevanz. Diese drei Säulen stellen die Grundlage für die Entwicklung und Durchführung von Forschungsvorhaben, Veröffentlichungen und Veranstaltungen am IMEW dar. Das Profil wurde gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Beirat erarbeitet und im April 2006 im Internet veröffentlicht.

1. Erweiterte Interdisziplinarität

Diese Problemkonstellation begründet den Bedarf an ethischer Orientierung. Zudem wurde auf empirische Aspekte ("Chancen und Risiken") häufig einfach Bezug genommen, ohne diese eigens wissenschafts- und gesellschaftstheoretisch zu hinterfragen, was eine weitere Schwachstelle darstellt.

Mittlerweile treten Fragen der Akzeptanz einzelner Forschungsrichtungen und Verfahren von Seiten der unmittelbar Betroffenen wie von Seiten der Gesellschaft und damit sozial- und kulturwissenschaftliche Forschungen verstärkt in den Mittelpunkt. Es kann zugespitzt formuliert werden, dass in einigen Fällen der Eindruck nahe liegt, dass ethische Fragen unter Verweis auf die erhobenen Mehrheitsmeinungen - ohne ihre ethische Reflexion - beantwortet werden sollen.

Die skizzierte Problematik zeigt, dass das Verhältnis von empirischer Forschung und normativer Reflexion methodologisch bestimmt werden muss. An dieser Stelle setzt das Forschungsprofil des IMEW mit einer erweitert interdisziplinären Konzeption an und verfolgt dieses Ziel auf mehrfache Weise:

  • Bei der Bearbeitung von Forschungsprojekten wird die einschlägige Literatur aus allen relevanten Disziplinen einbezogen.
  • Das IMEW vergibt Gutachten in Bezug auf Fragen, für die die Mitarbeiterinnen des IMEW nicht selbst fachkompetent sind.
  • Die Institutsmitarbeiterinnen nehmen an interdisziplinären Kooperationsprojekten mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderer Disziplinen teil.
  • Das IMEW initiiert interdisziplinäre Forschungsprojekte.
  • Das IMEW stellt mit dem Friedrichshainer Kolloquium einen Raum für den interdisziplinären wissenschaftlichen Austausch bereit. Dasselbe Ziel verfolgen die daraus hervorgehenden Sammelbände.
  • Das IMEW organisiert interdisziplinär zusammengesetzte Fachtagungen.
  • Die Mitarbeiterinnen des IMEW leisten Beratung und Ko-Betreuung von wissenschafts- und medizinethisch relevanten Forschungsarbeiten aus verschiedenen Disziplinen.

2. Perspektivische Forschung - die Perspektive von Menschen mit Behinderungen

Außerdem dominiert in der Forschung über Voraussetzungen und Folgen von Biowissenschaften und Medizin die Perspektive von nicht behinderten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Dies steht im Gegensatz zum großen Maß an Betroffenheit behinderter Menschen. Das heißt, man muss davon ausgehen, dass diese Forschung gewisse "blinde Flecken" aufweist, die durch perspektivische Forschung gefüllt werden können. Dabei darf perspektivische Forschung nicht mit parteiischer Forschung verwechselt werden. Sie versucht vergleichsweise "objektiver" zu sein, indem sie die eigene Perspektive offen legt und damit ermöglicht, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu anderen Perspektiven zu erkennen. In Anlehnung an die "Gender Studies" und die feministische Ethik beinhaltet das Forschungsprofil des IMEW einen perspektivischen Zugang, das heißt, die Perspektive von Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen wird zum Ausgangspunkt genommen oder zumindest berücksichtigt. Dazu gehört auch, die expliziten und (häufiger noch) impliziten anthropologischen Prämissen wissenschafts- und medizinethischer Forschung kritisch zu hinterfragen. Wissenschafts- und medizinethische Forschung geht zumeist von unabhängigen, autonomen Personen im Vollbesitz ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten aus und beschränkt sich auf individualethische Fragen in der öffentlichen Sphäre. Die wissenschaftliche Konzeption des IMEW dagegen berücksichtigt die Körperlichkeit und Beziehungsbezogenheit des Menschen sowie seine Angewiesenheit auf gesellschaftliche Wertschätzung. Sie geht davon aus, dass die Vernunftfähigkeit des Menschen als Menschen auch seine Einsicht in seine Verletzlichkeit und Bedürftigkeit und die darin begründete Abhängigkeit von sozialen Beziehungen umfasst.

Der Einbeziehung der Perspektive von Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen geschieht in der wissenschaftlichen Arbeit des IMEW auf verschiedene Weise:

  • Arbeiten und Erkenntnisse aus den "Disability Studies" und den "Disability Ethics" werden einbezogen.
  • Stellungnahmen und andere Dokumente aus der Behindertenbewegung und von den Behindertenverbänden werden ausgewertet.
  • Auch durch Einbezug von biographischen Berichten und Schriften wird die Perspektive von Menschen mit Behinderung im "O-Ton" eingebracht.
  • Außerdem ermöglichen sozialwissenschaftliche "Übersetzungsarbeit" per Interviewverfahren oder andere sozialwissenschaftliche Methoden die Perspektivität.

3. Praktische Relevanz

Ein weiterer für die wissenschaftliche Konzeption des IMEW wichtiger Aspekt ist die praktische Relevanz der Forschung für die gesellschaftliche Diskussion wie für die Politikberatung. Diese Praxisrelevanz wird in der wissenschaftlichen Konzeption des IMEW nicht hinter einem vermeintlich wertneutralen Erkenntnisinteresse - wie es gelegentlich ausdrücklich vertreten wird - verschleiert, sondern sie wird explizit gemacht.

Die Verantwortung von Wissenschaftler kann auch als politische Verantwortung verstanden werden. In der Politikberatung ist das leitende Ideal (oder sollte es sein) die Suche nach allgemein zustimmungsfähigen politischen Lösungen, die dem bloßen Machtkampf von Interessen in der politischen Arena entgegengerichtet ist. Als allgemein zustimmungsfähig kann eine politische Entscheidung dann gelten, wenn alle mittelbar und unmittelbar Betroffenen zwanglos zustimmen können oder, etwas salopper ausgedrückt, zumindest mit der Entscheidung leben können. Dementsprechend kann gute Politikberatung in Ergänzung zu guter wissenschaftlicher Arbeit charakterisiert werden. Die Aufgabe der Wissenschaftler besteht darin, durch Beratung von legitimierten Entscheidungsträgern und legitimierten Interessensvertretern (hier: den Verbänden der Behindertenhilfe und -selbsthilfe) bestmöglich zu guten politischen Entscheidungen im beschriebenen Sinn beizutragen. Auf diese Weise kann Politikberatung helfen, dass politische Entscheidungen auf der Grundlage eines guten Sachwissens und eines hohen Reflexionsniveaus getroffen werden. An diesem Anspruch orientiert sich das IMEW

Der Transfer der wissenschaftlichen Arbeit des IMEW in Gesellschaft und Politik erfolgt auf mehreren Wegen:

  • Das IMEW berät die Verbände dabei, Positionen und Stellungnahmen zu Problemfeldern der Wissenschafts- und Medizinethik zu erarbeiten.
  • Politikberatung durch das IMEW findet durch Expertisen mit dem Anspruch der Vermittlung von Sachwissen und Reflexionskompetenz statt.
  • Politikberatung durch das IMEW findet darüber hinaus durch Mitgliedschaft in Politikberatungsgremien statt.
  • Das IMEW führt Veranstaltungen für die breite Öffentlichkeit durch.
  • Das IMEW stellt Publikationen für die breite Öffentlichkeit (z.B. IMEW konkret) bereit.
  • Die Institutsmitarbeiterinnen des IMEW nehmen regelmäßig an öffentlichen Veranstaltungen zu wissenschafts- und medizinethischen Problemfeldern teil.

Wissenschaftliche Politikberatung

Das IMEW berät Politik auf unterschiedliche Weise.

Beratende Tätigkeit für den Deutschen Bundestag, öffentliche und nichtöffentliche Anhörungen

Beratende Tätigkeiten von Dr. Sigrid Graumann in den Jahren 2005 und 2006

In den Jahren 2005 und 2006 war der Deutsche Bundestag in besonderer Weise Adressat der Beratung: durch die Mitgliedschaft von Dr. Sigrid Graumann in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages und ihre Tätigkeit für das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag.

Die Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin", in der Frau Dr. Graumann sachverständiges Mitglied war, hat am 7. September 2005 mit der Übergabe eines Berichts zum Stand der Arbeit auf Grund der vorgezogenen Bundestagswahlen ihre Arbeit abgeschlossen. Die Kommission hat sich mit ethischen und rechtlichen Fragen der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen, der Palliativmedizin, der Transplantationsmedizin, der Verteilungsgerechtigkeit im Gesundheitswesen und der medizinischen Forschung befasst.

Frau Dr. Graumann war Moderatorin der Themengruppe "Ethik in der Forschung". Im Jahr 2005 war sie neben der Moderation der Themengruppensitzungen zuständig für die nichtöffentlichen Anhörungen "Forschung an besonders verletzlichen Patienten- und Probandengruppen" am 28. April 2005 und "Regelungsbedarf von Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung" am 9. Mai 2005. Sie hat zusammen mit dem Büro von Hubert Hüppe (MdB) die öffentliche Anhörung zum Thema "Aktuelle Entwicklungen und Perspektiven der Pränataldiagnostik" gestaltet. Außerdem hat sie zusammen mit Ulrike Riedel die Diskussionsvorlage für den Berichtsteil "Ethik in der biowissenschaftlichen und medizinischen Forschung" geschrieben, sowie die Diskussion und Abstimmung in der Themengruppe geleitet.

Projekt "Biobanken - Konzepte und Umsetzung" für den Deutschen Bundestag

Gutachten für das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Das TAB vergibt Gutachten zu Fragen, für die für Abgeordnete Beratungsbedarf besteht. Das IMEW war einer von vier Auftragnehmern, die unterschiedliche Fragestellungen bearbeitet haben.

Das Projekt "Biobanken - Konzepte und Umsetzung" im Rahmen der TA-Untersuchung "Biobanken für humanmedizinische Forschung und Anwendung" für das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag wurde unter der Federführung von Dr. Katrin Grüber zusammen mit Dr. Rainer Hohlfeld inhaltlich bearbeitet.

Charakteristisch für Biobanken ist die Kombination elektronisch gespeicherter genetischer Datensätze, die aus gesammeltem und gelagertem Körpermaterial (z.B. Gewebe oder Blut) gewonnen werden, mit persönlichen Daten (z.B. Krankenakten). Das Ergebnis der Verknüpfung der Daten bildet eine Infrastruktur oder Basisdienstleistung für Forschungsvorhaben, insbesondere im Rahmen von Pharmakogenomik von populationsgenetischen Studien.

Für das Gutachten wurden Erfahrungen im Umgang mit dem Planungsprozess der Biobanken in Island und Großbritannien ausgewertet, um daraus allgemeine Schlussfolgerungen abzuleiten. Beide Projekte haben, insbesondere wegen ihrer geplanten Größe (290.000 bzw. 500.000 Personen), internationale Aufmerksamkeit erhalten. Unter anderem standen folgende Fragen im Fokus: Welchen Status haben Bioinformationen? Wer darf, wer kann Zugang zu diesen Daten haben? Wem gehören sie? Wie kann und soll der Informed Consent der Teilnehmer aussehen? Welcher Rahmenbedingungen bedarf es? Welche Kriterien sollte ein öffentlicher Diskurs erfüllen und wie können Partizipationsverfahren funktionieren?

Wissenschaft für die Praxis

Eine wichtige Aufgabe des IMEW ist es, Informationen einerseits systematisch und andererseits verständlich aufzubereiten, sodass Menschen in der Praxis davon profitieren können. Diese Informationen werden insbesondere als Handreichungen veröffentlicht.

Die Pränataldiagnostik in der Schwangerenvorsorge

Veröffentlichung in der Reihe IMEW Expertise im August 2005, erstellt von der Diplompsychologin Vanessa Lux im Anschluss an ihr Praktikum im Institut.

Die Handreichung ist in erster Linie praxisorientiert und gibt einen guten Überblick über die verschiedenen Methoden der Pränataldiagnostik, die rechtliche Situation und das besondere Problem der Spätabbrüche. Die Autorin geht überdies der Frage nach, inwieweit die Ziele und die Praxis der Pränataldiagnostik für Menschen mit Behinderung diskriminierend sind.

Die Handreichung berücksichtigt die unterschiedlichen Perspektiven der Behindertenverbände, von Feministinnen, von Gynäkologinnen und Gynäkologen sowie von Humangenetikerinnen und Humangenetikern.

"Besonders wertvoll erscheint mir ihr Hinweis, dass in Deutschland das Konzept der "Risikoprävention" zum strukturierenden Leitgedanken in der Schwangerenvorsorge und speziell in der Pränataldiagnostik wurde. Die verschiedenen Schritte folgen fast zwangsläufig aufeinander, sind eine Art "Einbahnstraße". In Ländern wie zum Beispiel in den Niederlanden ist das anders. Was wäre, wenn Frauen in Deutschland wieder guter Hoffnung sein könnten?"

Robert Antretter, Vorsitzender des Kuratoriums, in seinem Vorwort zur Expertise

Handreichung Sterbebegleitung von Menschen mit Behinderung in Einrichtungen

Erstellt von Ute Kalender im Rahmen eines Praktikums. Auswertung von Stichproben von Beiträgen Leitlinien und Handreichungen von Einrichtungsleitungen sowie Aufsätzen, Broschüren und Büchern zu den Themen Sterbebegleitung, Sterben, Tod und Trauer. Zum Volltext im HTML-Format.

Pflegende in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sehen sich zunehmend damit konfrontiert, dass Bewohner wegen ihres Alters oder nach langer Krankheit in der Einrichtung sterben, ohne dass die Pflegenden auf diese Situation vorbereitet sind. Daran schließt sich die Frage, wie eine Sterbebegleitung aussehen soll, die den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung gerecht wird.

Folgende Punkte kristallisierten sich als zentral für eine Sterbebegleitung in der Pflegepraxis heraus:

  • Die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung kann in Sterbebegleitungen am besten gestärkt werden, wenn Sterben, Tod und Trauer im Alltag der Einrichtung frühzeitig thematisiert werden.
  • Viele Beiträge betonen, dass nach der Diagnose einer unheilbaren Krankheit die Bedürfnisse und Wünsche einer Bewohnerin oder eines Bewohners noch mehr als sonst im Vordergrund stehen und die Sterbebegleitung leiten sollten.
  • Sterbebegleitung endet nicht mit dem Tod eines Menschen. Für Angehörige, Freunde und andere Menschen aus dem Umfeld des oder der Verstorbenen kann es wichtig sein, in Form eines letzten Besuches Abschied zu nehmen.
  • Sowohl in der Sterbebegleitung als auch in der Trauerarbeit ist ein erweitertes Verständnis von Kommunikation hilfreich. Über die verbale Sprache hinaus kann Sensibilität für andere Sinnesäußerungen und eindrücke deshalb in der Trauerarbeit und Sterbebegleitung hilfreich sein, um mit Menschen in Kontakt zu treten.

Tod und Sterben lassen sich nicht rational erfassen und schon gar nicht optimal organisieren, ihre bewusste Thematisierung kann den Umgang damit aber erleichtern. Dies ist eine wichtige Erkenntnis, die in der Handreichung zum Ausdruck kommt.

Wissenschaft und Gesellschaft im Dialog

Das IMEW baut Brücken zwischen Wissenschaft und Gesellschaft und Menschen mit Behinderung. Ein besonderes Anliegen ist dabei die Stärkung der Perspektive von Menschen mit Behinderung im wissenschaftlichen Diskurs.

Vorgeburtliche Diagnostik - Diskriminierung von Menschen mit Behinderung

Tagung am 28. und 29. September 2005, durchgeführt gemeinsam mit dem AK Medizin(ethik) und Behinderung in der Akademie für Ethik in der Medizin (Fachgesellschaft der Medizinethik) und dem Institut für Pflegewissenschaften der privaten Universität Witten-Herdecke in Verbindung mit der Jahrestagung der Akademie für Ethik in der Medizin, von Dr. Sigrid Graumann gemeinsam mit den Kooperationspartnern konzipiert und durchgeführt.

In der Behindertenbewegung und in den Disability Studies spielt das Argument eine große Rolle, dass Menschen mit Behinderung durch die Praxis der vorgeburtlichen Diagnostik von Diskriminierung betroffen sind. In der akademischen Ethik dagegen werden solche Diskriminierungsargumente eher skeptisch beurteilt, wobei - zumindest hierzulande - bislang keine ausführliche Diskussion dazu stattfand.

Das gemeinsame Ziel der Tagung war es, aus lebensweltlicher, medizinischer, soziologischer und philosophischer Perspektive zu fragen, welchen Status solche Diskriminierungsargumente in der Debatte haben bzw. haben sollten. Gewünscht war ein Beitrag zu einer besseren Verständigung zwischen Wissenschaftlern und Vertretern der Behindertenbewegung.

In den Rückmeldungen nach der Tagung wurde von verschiedener Seite hervorgehoben, sehr viel voneinander gelernt zu haben. Das IMEW will damit seine Bemühungen fortsetzen, die Perspektive von Menschen mit Behinderung im wissenschaftlichen Diskurs zu stärken.

Ethik und Behinderung - Vom Paradigmenwechsel zur Praxis der Anerkennung

Tagung in Berlin am 12. Mai 2006, gemeinsam mit der Bundesvereinigung Lebenshilfe und der Katholischen Akademie, von Dr. Katrin Grüber gemeinsam mit den Kooperationspartnern konzipiert.

Die Veranstalter wollten mit der Tagung sowohl die Bedeutung theoretischer Debatten für die Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderung verdeutlichen als auch die Beteiligung von Menschen mit Behinderung innerhalb der Ethikdiskurse festigen. Dies wurde auch die Auswahl der Referentinnen und Referenten deutlich, die in einem ausgewogenen Verhältnis von Wissenschaft und Praxis standen.

"Im Mittelpunkt der Tagung stehen die verschiedenen Formen und Deutungen von Diskriminierung. Hauptveranstalter ist das innovative und zukunftsweisende Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft (IMEW), das sich einer interdisziplinären und unabhängigen Forschung auf den Gebieten Medizin und Ethik verschrieben hat."

Rouven Porz, Universität Basel, Das Original dieses Beitrages erschien in der Zeitschrift Bioethica Forum, Nummer 52, März 2007, S. 18-20. Herausgegeben von der Schweizerischen Gesellschaft für biomedizinische Ethik. Zum Volltext im HTML-Format

Mit dem Begriff "Diskriminierung" verbinden sich sowohl fachwissenschaftliche Assoziationen als auch umgangssprachliche Beschreibungen, in denen Menschen unterschiedlichste Ereignisse der Stigmatisierung von Behinderung benennen. Ob Fachbegriff oder Schlagwort: Die Vorstellungen, die sich mit "Diskriminierung" verbinden, sind alles andere als präzise und einheitlich. Die Vagheit des Begriffs und die Vielfalt der mit ihm korrespondierenden Erfahrungen dienten der Tagung als Ausgangspunkt der Diskussion, um zu einem Paradigmenwechsel in der Betrachtung von Behinderung zu führen: weg von einem medizinischen Defizit-Modell hin zu einer Kultur der Anerkennung.

Informationen - zugänglich gemacht

Das Institut sammelt Bücher und Dokumente zu seinem Arbeitsfeld und stellt diese mit seiner Bibliothek und Dokumentation der Öffentlichkeit zur Verfügung. Eine wichtige Aufgabe ist die Aufbereitung von Informationen, um sie für andere zugänglich zu machen.

"In bioethischen Diskussionen, in denen Entscheidungen über unser aller Zukunft beeinflusst werden, sind die Interessen von Menschen mit Behinderung nicht vertreten. Sie spielen sich meistens in philosophischen oder naturwissenschaftlich/medizinischen Fachzirkeln ab. Das IMEW baut eine Brücke und liefert uns wichtige Argumente und interessante Informationen."

Christian Judith, bioethischer Sprecher der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL), Hamburg

IMEW Website

Der Internetauftritt ist ein zentrales Standbein unserer Öffentlichkeits- und Informationsarbeit. Übersichtliche Darstellung, laufende Aktualisierung und Erweiterung sowie ein möglichst barrierefreier Zugang sind seine 'Markenzeichen'.

Die Webseiten bieten Informationen über das Profil und die Aktivitäten des Institutes. Unsere Publikationen werden zum Teil als Volltext online zur Verfügung gestellt. Das Volltextarchiv mit wissenschaftlichen Beiträgen und Vorträgen wurde 2005 und 2006 weiterentwickelt. Die IMEW Bibliothek informiert seit 2005 auf der Website über ihren Literaturbestand und ihre Neuerwerbungen.

Der umfangreiche internationale Veranstaltungskalender informiert über Fachtagungen, Workshops und Vorträge. Strukturierte Linklisten dienen als Wegweiser zu anderen Forschungseinrichtungen, Organisationen und Internetressourcen im Kontext von Bioethik und Behinderung.

Die Besuche unserer Website sind von 2004 bis 2006 um gut 150% gestiegen. Im Jahr 2006 gab es 136.476 Besuche.

IMEW Bibliothek

Die öffentlich zugängliche Spezialbibliothek in unseren Räumen in der Warschauer Straße wird seit 2002 kontinuierlich und systematisch aufgebaut. Sie sammelt und erschließt deutsch- und englischsprachige Standardwerke und aktuelle Forschungsliteratur zu medizinischen, ethischen, sozialen und rechtlichen Fragen.

Den Arbeitsgebieten des Institutes entsprechend ist der Literaturbestand interdisziplinär ausgerichtet. Die systematische Aufstellung in den Bibliotheksregalen erfolgt nach Wissenschaftsdisziplinen, wobei Schwerpunktthemen als eigene Sachgruppen hervorgehoben werden.

Die Perspektive chronisch kranker und behinderter Menschen findet in der Bibliothek Berücksichtung. So gibt es eine eigene Sachgruppe "Interdisziplinäre Behinderungsforschung", und Literatur aus dem Forschungsfeld der Disability Studies stellt einen Sammelschwerpunkt dar.

Der Bestand wuchs 2005 / 2006 auf rund 1.500 Bücher, graue Materialien und Zeitschriften. Fortgeführt wurde auch das Spezialarchiv mit inzwischen rund 2.000 Dokumenten, darunter wissenschaftliche Aufsätze, Manuskripte und Vorträge, Presseartikel und Pressemitteilungen sowie Stellungnahmen, Leitlinien und Richtlinien.

Alle Materialien sind in der IMEW Literaturdatenbank nachgewiesen und können vor Ort im Institut recherchiert werden. Neue Forschungsliteratur wird schnell beschafft und sofort erfasst, sodass sie unmittelbar zur Verfügung steht.

Bücher, Materialien und Zeitschriftenhefte werden seit 2005 vollständig auf der Website des Institutes nachgewiesen. Neuerwerbungslisten informieren nun laufend über die Neuzugänge.

Die Bibliothek steht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Studierenden und allen Interessierten offen. Die Nutzung des Literaturbestands und Literaturstudien in der Bibliothek sind nach Voranmeldung möglich. Die Räume sind wie das gesamte Institut für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer barrierefrei zugänglich. Die Bibliothek wird schwerpunktmäßig von IMEW Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Forschenden und Studierenden aus der Region Berlin genutzt; Anfragen erreichen uns aus dem In- und Ausland. Gäste aus dem Bundesgebiet und Nachbarländern kommen gezielt zu uns, um die Bibliothek für intensive Studien zu nutzen, was das spezifische Profil unseres Literaturbestands unterstreicht.

Ethik-Thesaurus: Perspektive behinderter Menschen wird sichtbar

2005 und 2006 stand die inhaltliche Erschließung der Literatur mit dem neuen internationalen "Thesaurus Ethik in den Biowissenschaften" im Focus. Dieser wurde unter Federführung des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften entwickelt.

Mit internationaler Expertenunterstützung hat das IMEW Vorschläge zu behinderungsrelevanten Begriffen bei der Thesaurus-Redaktion eingereicht, die in die dritte Ausgabe des Thesaurus (erschienen im August 2006) Eingang gefunden haben.

Damit wird hier die Perspektive behinderter Menschen eingebracht und der interdisziplinäre Forschungsansatz der Disability Studies sichtbar gemacht. Der medizinische Blick auf Behinderung, wie er in vielen Schlagwortsystemen vorherrschend ist, wird nun durch eine gesellschaftliche Perspektive ergänzt.

Disability Studies
Interdisziplinäre Forschungsrichtung, die Behinderung primär als Phänomen betrachtet, das sozial konstruiert und kulturell produziert wird

Thesaurus Ethik in den Biowissenschaften http://www.drze.de/BELIT/thesaurus/

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Weitere Artikel:

Jahresbericht 2005 / 2006

Jahresbericht 2004

Jahresbericht 2003

Jahresbericht 2002

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