zum Seiteninhalt springen

Grußwort zur Verleihung des ersten IMEW-Preises am 23. Oktober 2006 in der Urania, Berlin

Foto von Dr. Susanna Schmidt

Dr. Susanna Schmidt, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Bildung und Forschung

Sehr geehrter Herr Antretter, liebe Frau Dr. Grüber, liebe Preisträgerinnen,
sehr geehrte Damen und Herren,

sehr gerne habe ich dieses Grußwort übernommen, da ich die Ausrichtung und den Ansatz des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft sehr schätze: nämlich die moderne Biomedizin im gesellschaftlichen Kontext zu betrachten, die Auswirkungen naturwissenschaftlicher Forschung auf die Normen, Vorstellungen und Regeln unseres Zusammenlebens hin zu überprüfen und damit wissenschaftliche Entwicklungen, die notwendig vorauslaufend und elitär sein müssen, demokratisch und zivilgesellschaftlich einzuholen. Das Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft tut dies durch hervorragend besetzte Gremien und sehr engagierte Mitarbeiterinnen, die einen interdisziplinären Ansatz verfolgen und naturwissenschaftliche, geistes- und sozialwissenschaftliche Perspektiven miteinander verbinden. Vor allem tun sie es aber, indem sie die Perspektive derjenigen Menschen einbringen, die nicht den Idealen von Autonomie und Selbstbestimmung entsprechen.

In seiner 1999 erschienenen Monografie gesteht der bekannte amerikanische Philosoph Alaisdair McIntyre, dass er erst mit 70 Jahren verstanden habe, wie wichtig die Anerkennung der Abhängigkeit im menschlichen Leben sei und dass sie zum Dreh- und Angelpunkt der Moralphilosophie gemacht werden müsse. Zu seiner "Läuterung", so schreibt er, trugen außer Thomas von Aquin, Aristoteles und der feministischen Philosophie "einige erstaunliche Arbeiten über das Wesen der Behinderung und den Zustand der Behinderten und Abhängigen, beispielsweise von Hans S. Reinders und von Eva Feder Kittay" bei. Auf eindrückliche Weise wird hier bezeugt, welche Macht von diesem anderen Denken, das die Anerkennung der Abhängigkeit in den Mittelpunkt stellt, ausgehen kann - ein Denken, für das die heutige Preisträgerin Frau Prof. Eva Feder Kittay ebenso wie das Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft stehen.

Ob die Frage der Stammzellforschung, der Patientenverfügung, von Gentests oder Präimplantationsdiagnostik: dass die ethische Analyse der Möglichkeiten, die die naturwissenschaftliche Forschung eröffnet, mit der Perspektive von Kranken, Leidenden, Abhängigen und Behinderten verbunden wird, ist das Überzeugende an der Arbeit der Preisträgerin und des Preis vergebenden Instituts.

Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Dr. Annette Schavan, hat sich - mit dem Beschluss der Hightech-Strategie für Deutschland durch das Kabinett im vergangenen August - zu der Vision bekannt, dass Deutschland bis zum Jahr 2020 die forschungsfreudigste Nation werden möge. Wir wissen: Unser Land braucht Innovation, Forschung und Entwicklung. Nur so können wir im globalen Wettbewerb bestehen und die Zukunft unserer Kinder sichern. Im gleichen Maße aber wie wir die Neugier und Entdeckerfreude unserer Kinder fördern, damit sie künftige Forscherinnen und Forscher werden, in dem gleichen Maße müssen wir diskutieren, wie und auf welche Weise Forschungsergebnisse unser Zusammenleben in der Zukunft bestimmen sollen. Nur ein Land, das sich seiner kulturellen Grundlagen und Werte vergewissert, wird die Zukunft erobern. In diesem Sinne bin ich froh, dass das Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft seine Stimme erhebt, den politischen Diskurs anregt und die Interessen der Kranken, Abhängigen und Behinderten vertritt. Das ist nicht nur ein notwendiges Lobbying im Feld der Biopolitik, in dem unterschiedliche Interessen aufeinander stoßen, sondern es ist die Offenhaltung einer anderen Perspektive jenseits von Machbarkeit und Autonomie: die Perspektive der Anerkennung der Abhängigkeit.
Dafür danke ich Ihnen herzlich!

© BMBF
Wir danken für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung

Weitere Artikel:

IMEW Nachwuchspreis 2008
Ausschreibung

Bericht über die Preisverleihung des Institutes Mensch, Ethik und Wissenschaft
Veranstaltung am 23. Oktober 2006 in der Urania, Berlin

Laudatio für Professorin Dr. Eva Feder Kittay
Prof. Dr. Dietmar Mieth, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des IMEW

Die Suche nach einer bescheideneren Philosophie:
Mentalen Beeinträchtigungen begegnen - herausfinden, was wichtig ist

Prof. Dr. Eva Feder Kittay

Laudatio für die Nachwuchspreisträgerin Anika Mitzkat
Prof. Dr. Linus S. Geisler

Seitenanfang


© 2008 | IMEW - Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft
www.imew.de