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Präimplantationsdiagnostik - Praxis und rechtliche Regulierung in Belgien

Katrin Grüber, Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft, April 2003

Dieses Gutachten ist eine Materialie neben weiteren Studien und Materialien im Rahmen des Monitoring "Gendiagnostik/Gentherapie" im Auftrag des Deutschen Bundestages.

Inhalt

Einleitung

  1. Angebote der fortpflanzungsmedizinischen Zentren in Belgien
    1.1 Statistik - der Bericht von 1999-2000
    1.1.1 Zahl der Reproduktionsmedizinischen Zentren
    1.1.2 Zahl der Zyklen
    1.1.3 Zahl der übertragenen Embryonen
    1.1.4 Erfolgsraten und Ergebnis
    1.1.5 Fehlbildungen
    1.1.6 Mehrlingsgeburten
    1.1.7 Eizellspenden (2000)
    1.1.8 Kryokonservierung von Embryonen und Embryonenspenden
    1.2 Paare aus dem Ausland
    1.3 Kosten der IVF
    1.4 Unterschiede zwischen katholischen und laizistischen Einrichtungen
  2. Praxis der Präimplantationsdiagnostik (PID) in Belgien
    2.1 Art und Anzahl von PID-Zentren
    2.2 PID an Universitäten
    2.2.1 Die VUB (Vrije Universiteit Brussel)
    2.2.2 Die Université Libre de Bruxelles (ULB)
    2.3 PID außerhalb der Universitäten
    2.4 Kosten für die PID
    2.5 Ausbreitung des Angebots
    2.6 Präimplantationsdiagnostik für Paare aus dem Ausland
    2.7 Unterschied zwischen katholischen und laizistischen Einrichtungen
  3. Rechtliche Regelungen
    3.1 Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch
    3.2 Königliche Erlasse über die Errichtung von Gendiagnostikzentren bzw. Fortpflanzungsmedizinischen Zentren
    3.2.1 Regelungen bzgl. der Gendiagnostikzentren
    3.2.2 Regelungen bzgl. der Fortpflanzungsmedizinzentren
    3.2.3 Der Erlass zur Errichtung der Ethikkomissionen an den Kliniken
    3.3 Das Gesetz zur Forschung an Embryonen
    3.3.1 Gesetzesverfahren
    3.3.2 Die wesentlichen Teile des Gesetzes
    3.3.3 Ausschnitt aus der Rede von Senator Monfils
    3.3.4 Bewertung des Gesetzes
    3.3.5 Zu wichtigen Begriffen im Zusammenhang mit dem Gesetz
    3.4 Zusammenfassende Bewertung der rechtlichen Situation
    3.5 Ärztliches Berufsrecht
    3.5.1 Leihmutterschaft
    3.5.2 Informierte Zustimmung bzgl. des Einfrierens der Embryonen
    3.5.3 Informierte Zustimmung für PID
    3.6 Bindung der Forschungsgemeinschaft
  4. Die gesellschaftlichen Akteure und der öffentliche Diskurs
    4.1 Akteure der Wissenschaft
    4.2 Das Belgische Bioethikkomitee
    4.3 Behindertenverbände
    4.4 Frauenorganisationen
    4.5 PatientInnenorganisationen
    4.6 Bürgerkonferenz zu Gendiagnostik
    4.7 Öffentliche Debatte über die Geschlechtswahl
  5. Schlussfolgerung

Anhang

Einleitung

Im vorliegenden Bericht sollte die Frage beantwortet werden, inwiefern sich der Gebrauch der Präimplantationsdiagnostik (PID) auf einen eng definierten NutzerInnenkreis eingrenzen lässt (z.B. auf Paare mit einem bekannten genetischen Risiko für eine schwere genetisch bedingte Erkrankung oder Behinderung). Dazu wurden die rechtlichen Regelungen und die Praxis in Belgien untersucht. Es sollte insbesondere analysiert werden, inwieweit es einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Präimplantationsdiagnostik und der rechtlichen Rahmensetzung gibt.

Während der Erstellung des Gutachtens wurde das Gesetz zur Forschung an Embryonen, das Fragen des Gutachtens zentral berührt, vom Senat verabschiedet, in die Abgeordnetenkammer überwiesen und auch dort am 2.4.2003 verabschiedet, so dass es nunmehr in Kraft treten kann.

Mein Dank gilt allen GesprächspartnerInnen in Belgien, die mir bereitwillig Auskunft erteilt haben. Nur ein einziger meiner Gesprächswünsche wurde abschlägig beschieden. Rechtsanwältin Ulrike Riedel hat die Bewertung der rechtlichen Situation begleitet.

Die politische Situation in Belgien gilt als besonders komplex. Die Komplexität des politischen Systems in Belgien wurde dadurch erhöht, dass das föderale System relativ neu ist.

Außerdem ist das Land durch die Mehrsprachigkeit gekennzeichnet, wobei die deutschsprachige Minderheit keinen wesentlichen Einfluss hat. Die Mehrsprachigkeit wird z.B. sichtbar im Angebot der Kliniken (so gibt es in Brüssel die VUB (Vrije Universiteit Brussel) und die ULB (Université Libre des Bruxelles). Auch die Parteien haben sowohl einen flämischen als auch einen frankophonen "Ableger".

Es wurde während des Gutachtens sehr früh deutlich, dass die Nähe bzw. Ferne zur Katholischen Kirche in einem gewissen Rahmen Einstellungen bzw. das praktische Handeln in Fragen der Präimplantationsdiagnostik beeinflusst. Deshalb wurde insbesondere ein Augenmerk auf den Vergleich zwischen katholischen und laizistischen (freien) Einrichtungen gelegt.

Da Belgien dafür bekannt ist, sowohl Angebote für Fortpflanzungmedizin als auch für die Präimplantationsdiagnostik auch für Paare aus dem Ausland anzubieten, wurde versucht, über das Ausmaß Informationen zu erhalten.

Es gab in Belgien so gut wie keine öffentliche Diskussion zum Thema Präimplantationsdiagnostik. Es spielte auch während der Beratung zum Gesetz über die Forschung an Embryonen im Senat eine untergeordnete Rolle.

1. Angebote der fortpflanzungsmedizinischen Zentren in Belgien

Belgien ist eines der führenden Länder bei der Anwendung der In-Vitro-Fertilisation. Nach Großbritannien und Frankreich war Belgien das dritte Land, in dem 1982 ein Kind nach einer künstlichen Befruchtung geboren wurde (in einer Klinik an einer Katholischen Hochschule, s.u.). An der VUB (Vrije Universiteit Brussel) wurde die ICSI entwickelt und kam 1991 zum Einsatz. 1992 wurde das erste Kind weltweit geboren, übrigens ohne, dass die Methode ausreichend getestet war ( Cassiers * ). Cassiman führt in der Anhörung des Senates aus: "Das Problem war, dass man die Technik ICSI eingeführt hat, ohne dass man sich über die Risiken im klaren war, die mit der Technik verbunden sind. Der Grund dafür ist, dass der Wunsch nach einem Kind bei einigen Paaren so absolut geworden ist, dass der Gynäkologe einfach nur zum Ausführenden wird. Man darf nicht vergessen, dass 10% der Kinder im Reagenzglas gezeugt werden." [ i ]

1.1 Statistik - der Bericht von 1999-2000 [ 1 ]

Es gibt bis zum heutigen Tag kein systematisches Register, in dem die Anwendung von In-Vitro-Fertilisation [ 2 ] dokumentiert wäre, sondern nur ein unvollständiges Register auf freiwilliger Basis (BELRAP, Belgian Register for Assisted Procreation). Durch königliche Erlasse wurde festgelegt, dass die Daten online an das Collège des Médecins - "Médecine de la Reproduction", das vom Gesundheitsministerium eingesetzt wurde, geliefert werden (de Clercks*). Die Umsetzung ist bisher allerdings nur teilweise erfolgt.

Derzeit erfolgt die Datenaufbereitung gemeinsam durch das BELRAP und durch das Collège des Médecins. Wegen der Unvollständigkeit ist die Aussagefähigkeit der bisherigen Berichte eingeschränkt. Besonders ist bei den Zeitreihen zu berücksichtigen, dass einige Zentren unregelmäßig Daten geliefert haben.

Im Vergleich zum deutschen IVF-Register [ 3 ] werden weniger Korrelationen zwischen einzelnen Aspekten hergestellt, so dass weniger detaillierte Einschätzungen einzelner Verfahren und ihrer Ergebnisse möglich sind. Es wird sich in Zukunft zeigen, ob die Qualität der Berichte zunimmt.

1.1.1 Zahl der Reproduktionsmedizinischen Zentren

Nach dem Bericht von 1999-2000 haben bis auf eines alle Zentren Daten für den Bericht geliefert, so dass ca. 96% der Zentren bei 95% der Zyklen der Frauen, bei denen eine künstliche Befruchtung durchgeführt wird, erfasst werden. Es gibt derzeit 25 Zentren (das heißt 1 Zentrum auf 400 000 Einwohner), von denen wahrscheinlich nicht alle IVF anbieten.

Im Jahre 1999 wurde durch Königliche Erlasse (s.u.) die Zentren in zwei Kategorien eingeteilt: diejenigen die IVF anbieten (Kategorie B) und diejenigen, die dies nicht dürfen (Kategorie A). Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist die Zuordnung der vorhandenen Zentren zu einer der Kategorien noch nicht erfolgt. Es ist davon auszugehen, dass nach der Entscheidung einige Zentren IVF aus ihrem Programm nehmen müssen (Deckers*).

1.1.2 Zahl der Zyklen

Im Jahr 1996 gab es 8984 gemeldete Zyklen (geschätzt werden 9700). Pro Zyklus werden 8.86 + 6.95, pro ICSI 9.55 + /- 7.03 Oozyten gewonnen. Im Durchschnitt werden pro IVF-Zyklus 5.39 +/- 4.87 Eizellen, bei ICSI 5.59 +/- 4.6 Eizellen befruchtet. Das Durchschnittsalter der Frauen ist 33.3 +/- 4.9, wobei dies zwischen den Zentren schwankt (von 31.3 +/- 4.1 bis zu 35.1+/- 5.3).

1.1.3. Zahl der übertragenen Embryonen

Es gibt eine Tendenz, weniger Embryonen als früher pro Behandlungszyklus zu übertragen, um die Rate an Mehrlingsschwangerschaften zu senken. Während noch 1995 in 49,6% der Fälle drei Embryonen übertragen wurden und in 30,1% der Zyklen zwei Embryonen, hat sich im Jahr 2000 das Verhältnis umgekehrt. Im Jahr 2000 wurden nur noch in 29% der Zyklen drei Embryonen übertragen und in 51,6% zwei (s. dazu Abschnitt 1.3). Es gibt aber auch Fälle, in denen mehr als drei Embryonen übertragen werden. Für das Jahr 1995 wurde ermittelt, dass in 8,9% der Zyklen vier Embryonen und in 2,4% der Zyklen fünf Embryonen und mehr übertragen wurden. Für das Jahr 2000 wurden bei 4,4% der Zyklen vier Embryonen und bei 2,3% der Zyklen fünf Embryonen und mehr übertragen. [ 4 ]

1.1.4 Erfolgsraten und Ergebnis

Die Erfolgsraten betrugen 1995/1999 22,5%/27% klinische Schwangerschaften und 17,9%/21,5% Lebendgeburten pro Zyklus mit Eizellentnahme. Nach Verfahren (IVF, ICSI, TESE [ 5 ], MESA [ 6 ] etc.) aufgeschlüsselte detaillierte Erfolgsraten liegen nicht vor.

Im Jahr 1999 wurden 2220 Kinder (1310 Einlinge, 858 Zwillinge, 48 Drillinge) nach einer Befruchtung im Reagenzglas (durch IVF, ICSI, MESA und TESE) geboren. Das sind ca. 2% der jährlich in Belgien geborenen Kinder. Es ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage Cassiman zu der Einschätzung kommt, es gäbe einen Anteil von 10%. [ ii ]

1.1.5 Fehlbildungen

Von den im Jahre 1999 nach IVF (+ICSI) geborenen Kindern hatten 4.6 % Fehlbildungen. Der Bericht enthält dazu keinen Kommentar.

11.1.6 Mehrlingsgeburten

Insgesamt kam es zu 71% Einlings-, 26,3% Zwillings und 2,7% Drillingsgeburten im Jahr 1995, sowie zu 74,6% Einlings-, 24,4% Zwillings- und 1% Drillingsgeburten im Jahr 1999. Ein leichter Rückgang an Mehrlingsgeburten ist darin ersichtlich. Da aber Angaben zu Mehrlingsschwangerschaften fehlen und auch keine Korrelation zwischen der Zahl der übertragenen Embryonen und der Entstehung von Mehrlingsschwangerschaften hergestellt wurde, können auf dieser Basis keine genauen Aussagen über Gründe für den Rückgang von Mehrlingsgeburten gemacht werden. Möglicherweise ist die Verringerung der Zahl der durchschnittlich übertragenen Embryonen dafür verantwortlich (s. zum Ziel der Verringerung der Mehrlingsschwangerschaften durch Verringerung der Anzahl der übertragenen Embryonen Abschnitt 1.3). Außerdem wird der Fetozid praktiziert. Der Bericht führt für das Jahr 1997 27 Fälle auf.

1.1.7 Eizellspenden (2000)

In Belgien ist die Oozytenspende zulässig und wird praktiziert. Empfängerinnen sind ältere Frauen, wobei das Alter nicht spezifiziert wird. [ iii ] Für das Jahr 2000 wird im Bericht aufgeführt, dass 124 belgische Paare und 376 ausländische Paare gespendete Oozyten erhielten. In 78 Fällen gibt es keine Informationen, in 13 Fällen kam es zu einer biochemischen Schwangerschaft [ 7 ], bei 86 Frauen zu einer klinischen Schwangerschaft. Davon endeten 12 mit einer Fehlgeburt, 4 mit einer Bauchhöhlenschwangerschaft und bei 70 bestand zum Zeitpunkt des Berichtes noch die Schwangerschaft.

1.1.8 Kryokonservierung von Embryonen und Embryonenspenden

Die Daten über die Kryokonservierung von Embryonen sind sehr bruchstückhaft. Ab 1997 fehlen Angaben darüber, wie viele Kinder geboren wurden, nachdem eingefrorene Embryonen übertragen wurden. Nach den Angaben des Reports wurden in den Jahren 1995 bis 2000 jährlich 12 000 bis 15 000 Embryonen eingefroren und 4000 bis 8500 aufgetaut (und ein entsprechend kleinerer Teil übertragen). Nach den Angaben des Reports steigt die Zahl der eingefrorenen Embryonen jedes Jahr um ca. 7000. Übrigens berichtete Prof. Debry auf einer Anhörung im Senat, dass jedes Jahr ca. 30 000 überzählige Embryonen hergestellt werden. [ iv ]

Im Bericht wird angekündigt, dass die Zukunft dieser Embryonen demnächst Gegenstand von Debatten sein wird. Am 14.10.2002 veröffentlichte das Belgische Bioethikkomitee eine Stellungnahme zum Umgang mit eingefrorenen Embryonen. [ 8 ] Darin werden die ethischen und praktischen Probleme aufgeführt, die durch die Kryokonservierung sowohl auf die Zentren als auch die Paare bzw. die Frauen und Männer zukommen. Ein praktisches Problem besteht z.B. darin, dass die Patientinnen nach einigen Jahren nicht mehr erreichbar sind, z.B. weil sie bei einem Umzug ihre Adresse nicht mitgeteilt haben. Daraus ergibt sich die ethische Frage, wer die Entscheidung über die Zukunft der eingefrorenen Embryonen trifft. Andere ethische Fragen ergeben sich, wenn sich die Paare trennen oder einer der Partner stirbt. Das Belgische Bioethikkomitee ist zu keiner einheitlichen Haltung gekommen, an welchem Zeitpunkt wer die Entscheidung treffen soll - und auf welcher Grundlage.

Die Informationen über die Embryonenspenden sind noch dürftiger, als die der Oozytenspende. Hier wird von 34 Zyklen berichtet, von denen 6 zu einer klinischen Schwangerschaft geführt haben. Weitere Informationen sind dem Bericht nicht zu entnehmen.

1.2 Paare aus dem Ausland

Zahlreiche PatientInnen kommen aus dem Ausland, um die belgischen Angebote der IVF-Zentren in Anspruch zu nehmen. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Im o.g. Bericht wird nur bei den Oozytenspenden zwischen belgischen und nichtbelgischen Paaren unterschieden. Es ist bekannt, dass Zentren für ihr Angebot im Ausland werben, z.B. werden in der französischen Zeitung "Le monde" Anzeigen geschaltet (Varone*). Außerdem werden französische Gruppen wie "L´association Pauline et Adrien" unterstützt, die Einfluss auf das politische System in Frankreich nehmen wollen, um freizügigere Regelungen bezüglich der Fortpflanzungsmedizin zu erwirken. [ v ] Wie der Kontakt zum deutschen "Markt" hergestellt wird, ist im Einzelnen nicht bekannt. Allerdings hat die ULB auf ihrer Website eine Information in deutscher Sprache zum Thema "Kinderwunsch" in der auch praktische Modalitäten beschrieben werden, wie z.B., dass die Patientinnen vor ihrer Abfahrt anrufen sollten, um herauszufinden, ob tatsächlich ein Embryonentransfer stattfindet.

1.3 Kosten der IVF

In Belgien werden Teile der Kosten für die Reproduktionsmedizin vom Sozialversicherungssystem übernommen. Dabei legt die INAMI (Institut National pour l´Assurance Maladie et Invalidité), die Pflichtkrankenversicherung, fest, welche ärztlichen Handlungen erstattet werden. Dies wird jeweils durch Königliche Erlässe geregelt. So wird die Follikelpunktion seit 1989 und die Übertragung des Embryos nach der In-Vitro-Fertilisation seit 1999 erstattet [ 9 ]. Dies bedeutet aber auch, dass die Paare ICSI, die fast doppelt so häufig wie die "herkömmliche" IVF eingesetzt wird, selbst bezahlen müssen.

Die ULB Erasmus erklärt auf ihrer Website in deutscher Sprache, dass auf die Paare ca. Kosten von 870 bis 1240 € zukommen würden. Für Paare, die nicht der belgischen Sozialversicherung angehören, wird eine Kostenberechnung angeboten. [ vi ]

In einer Presseerklärung hat der Sozialminister Frank Vandebroucke angekündigt, dass zukünftig sämtliche Kosten für die künstliche Befruchtung erstattet werden sollen. Nach seinen Angaben belaufen sich diese auf ungefähr 1250 € pro Versuch. Gleichzeitig soll die Zahl der übertragenen Embryonen begrenzt werden, um Mehrlingsschwangerschaften auszuschließen. Dadurch sollen die Auswirkungen der geplanten Verordnung kostenneutral sein. [ vii ]

1.4 Unterschiede zwischen katholischen und laizistischen Einrichtungen

Es gab und gibt Unterschiede bezüglich des Nutzerinnenkreises zwischen katholischen und laizistischen fortpflanzungsmedizinischen Zentren, insofern als die Techniken an katholischen Einrichtungen nicht zu jedem Zeitpunkt und auch nicht für jede zugänglich ist. Allerdings war die Katholische Universität von Leuven Vorreiterin bei der Einführung der IVF, nicht nur in Belgien, sondern weltweit. Hier kam 1983 das erste Kind in Belgien nach einer künstlichen Befruchtung zur Welt (damit war Belgien das dritte Land nach Großbritannien und Frankreich). Die katholischen Hochschulen von Leuven und Louvain waren zwei von vier katholischen Hochschulen, die trotz der Vatikanischen Instruktion von 1987 [ viii ], die künstliche Befruchtung anboten (Schotsman*). Begründet wird die Anwendung der künstlichen Befruchtung damit, dass sie eine rein medizinische Behandlung von ungewollter Kinderlosigkeit sei. Deshalb wird sie nur heterosexuellen Paaren (entweder verheiratet oder in einer "stabilen" Beziehung lebend) angeboten und nicht Lesben oder allein stehenden Frauen. Hier gibt es einen offensichtlichen Unterschied zu den laizistischen Einrichtungen.

Zwischen der Klinik und dem Paar wird ein Vertrag geschlossen. Trennt sich das Paar, oder stirbt der Ehemann, so wird das Programm abgebrochen. Die Paare können wählen, was mit den überzähligen Embryonen geschieht. Sie können anderen Paaren die Embryonen spenden, sie können verfügen, dass die Embryonen nach dem erfolgreichen Abschluss des Programms vernichtet werden oder sie können die Embryonen für Forschungszwecke "spenden". Die Hochschule hat es bis zum Dezember 2002 abgelehnt, Forschung an Embryonen durchzuführen. Deshalb wurden die Embryonen den freien Hochschulen gespendet, die Embryonenforschung durchgeführt haben. [ 10 ] Da es inzwischen aber an der Hochschule ein Interesse an der Forschung an embryonalen Stammzellen gibt, wurde die Option geändert und die Embryonen können an der Hochschule verbleiben. Die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken wird weiterhin abgelehnt (Schotsman*).

Die Unterschiede bzgl. der Zulassung von Paaren oder bzgl. des Umgangs mit Embryonen sind selbstverständlich bei den verschiedenen Zentren bekannt und werden offensichtlich im Prinzip respektiert. Wenn es aus unterschiedlichen Gründen ein Angebot an einem Zentrum nicht gibt, erfolgt der Hinweis auf das Zentrum, in dem das Angebot vorhanden ist. Es ist nicht bekannt, dass diejenigen, die in ihrem Zentrum einen restriktiveren Umgang praktizieren, wünschen, dass dies auch bei anderen Zentren der Fall ist und deshalb eine entsprechende gesetzliche Regelung fordern.

Früher bestand ein Unterschied in der Anwendung der ICSI, die ursprünglich von katholischen Einrichtungen abgelehnt wurde. Inzwischen wird sie aber auch dort eingesetzt.

Auch sonst gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Unterschiede zwischen katholischen und freien Universitäten immer mehr verwischen. Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Université Catholique von Louvain-La-Neuve (Katholische Universität von Louvain-La-Neuve) eine Stellungnahme, in der es als ethische Haltung im Sinne der Solidarität ("esprit éthique de solidarité") bezeichnet wird, wenn Embryonen zur Herstellung von embryonalen Stammzellen gespendet werden, die der Forschung dienen, mit der andere Menschen geheilt werden können. Die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken zum jetzigen Zeitpunkt wird abgelehnt, weil es genügend überzählige Embryonen gäbe. Es wird allerdings nicht ausgeschlossen, dass es in der Zukunft notwendig sein könnte, Embryonen herzustellen (in sehr engen Grenzen) [ ix ]. Das Verfahren der UCL Dupuis (Université Catholique Louvain-La-Neuve) vorsichtig, im Gegensatz zur "Dogmatik des Ja" der Freien Zentren.

2. Praxis der Präimplantationsdiagnostik (PID) in Belgien

2.1 Art und Anzahl von PID-Zentren

Es gibt keine offizielle Statistik zu Einrichtungen, an denen PID angeboten wird. Keiner der Gesprächspartner hatte einen genauen Überblick. Deshalb ist die Datenlage nicht eindeutig und es ist durchaus möglich, dass es über die aufgeführten Einrichtungen hinaus noch weitere Einrichtungen gibt. Wie gering das Wissen in Belgien über die Anwendung der Präimplantationsdiagnostik in Belgien ist, zeigt z.B. die Tatsache, dass auf der Anhörung im Senat über das Gesetz zur Forschung an Embryonen der eingeladene Experte Prof. Debry den Hinweis gab, dass es nur ein Zentrum geben würde, das PID anbieten würde, das sei die Freie Universität in Brüssel. [ x ]

In verschiedenen Stellungnahmen wird davon ausgegangen, dass PID nur an den acht Kliniken angeboten wird, die lizenzierte Gendiagnostikzentren haben [ 11 ]. So heißt es in einer Stellungnahme des Comité National d´éthique zu IVF-Zentren: "Die Praxis der PID benötigt eine besondere Infrastruktur. Sie kann nur in den Einrichtungen durchgeführt werden, in denen gleichzeitig ein IVF-Zentrum und ein Gendiagnostikzentrum existieren." [ xi ] Tambuyzer meint: "Es ist unmöglich, dass private Initiativen wie Privatlabore wichtige Gentests in Belgien anbieten, weil ihre Dienstleistung nicht erstattet wird." [ xii ]

Diese Angaben entsprechen aber offensichtlich nicht der realen Praxis, da das Institut LIFE in Leuven (s. 2.3) nicht zu den universitären Einrichtungen gehört und gleichwohl PID anbietet. Dieses Institut war allerdings nur einer Gesprächspartnerin bekannt. Allerdings meinte Mahoux, Embryonen würden an allen Einrichtungen untersucht. [ 12 ]

Nach den vorliegenden Informationen ergibt sich folgender Stand: Das Zentrum für Medizinische Genetik und das Zentrum für Reproduktive Medizin der Freien Universität Brüssel (Flämisch sprechend) bieten seit 1993 PID an. Auch in der Fortpflanzungsmedizin war sie Vorreiterin: hier wurde ICSI entwickelt und zum ersten Mal eingesetzt. Die VUB ist die Einrichtung in Belgien mit der größten Erfahrung. Es ist bisher die einzige Universitätseinrichtung, die PID bei monogenetischen Krankheiten anbietet, alle andere praktizieren bisher nur FISH, allerdings will die ULB (Université Libre de Bruxelles) nachziehen. Außerdem gibt es eine außeruniversitäre Einrichtung, LIFE in Leuven, die nicht mit einem belgischen lizenzierten Gendiagnostikzentrum arbeitet, sondern mit italienischen Experten.
Überblick über Zentren, die nach bisherigem Kenntnisstand PID anbieten

Zahl der Zentren

Nach dem bisherigen Kenntnisstand wird es an der VUB, der ULB, der KUL (Katholische Hochschule in Leuven) und der Hochschule in Gent Präimplantationsdiagnostik angeboten. Die UCL bereitet sich darauf vor. Die bisher bekannte außeruniversitäre Einrichtung ist das LIFE.

Arbeitsweise

An allen universitären Einrichtungen kooperieren das Reproduktions- und das Gendiagnostikzentrum. LIFE kooperiert mit S.I.S.M.E.R., Italien.
Diagnostik auf chromosomaler Ebene
Alle Zentren bietet die FISH-Technik an.
Diagnostik auf Monogenetische Erkrankungen
Nach den vorliegenden Informationen ist die VUB die einzige universitäre Einrichtung, die derzeit die PCR-Technik beherrscht, die ULB wird die Technik voraussichtlich Ende des Jahres anbieten. LIFE bietet es wahrscheinlich an.

Meldungen an ESHRE

Bis auf die KUL geben alle Einrichtungen ihre Daten an ESHRE weiter.
In Belgien gibt es so gut wie keine Regelungen, die die Anwendung der PID in irgendeiner Weise einschränken würden. Es gibt bis heute kein offizielles Dokument, in dem das Wort Präimplantationsdiagnostik explizit erwähnt ist. Dies hat sich auch durch das verabschiedete Gesetz zur Forschung an Embryonen nicht geändert.
Es gibt keine detaillierte Aufstellung über die Indikationen oder Erfolgsraten der einzelnen Zentren. Die meisten konkreten Angaben hat die VUB, geliefert, die auch die größte Erfahrung hat. Es ist eines der wichtigsten Zentren weltweit, da ca. 100 von 1000 Kindern dort geboren wurden. Von daher liefern die vorliegenden Zahlen der VUB einen recht guten Eindruck über die Praxis der Präimplantationsdiagnostik in Belgien. Im Vergleich zu den Zahlen über die Anwendung der Präimplantationsdiagnostik in Italien sind die Informationen jedoch bruchstückhaft. Von den anderen Einrichtungen gab es allerdings keinerlei schriftliche Informationen über Erfolgsraten.

Es wurden keine Gespräche mit der Einrichtung in Gent geführt. Die KUL bietet seit 2001 PID an, es wurden bisher 15 Zyklen durchgeführt.

2.2 PID an Universitäten

2.2.1 Die VUB (Vrije Universiteit Brussel)

Die Praxis vom Zentrum für Medizinische Genetik, Freie Universität Brüssel, war das erste Zentrum in Belgien dass PID angeboten hat. Es verfügt seit 1993 über entsprechende Erfahrungen. Über mehrere Jahre war es das einzige Zentrum in Belgien und verfügt über die meiste Erfahrung. Von 1993 bis Ende 2001 wurden insgesamt 802 Zyklen durchgeführt. [ xiii ] In einer Statistik wird aufgeführt, dass über den Zeitraum von 1993 bis 1997 PID an 29 Paaren und 61 Zyklen ausgeführt wurde. Dies ist ein Hinweis darauf, dass das Angebot mittlerweile deutlich ausgeweitet wurde. Die erhaltenen Informationen, sind nur eingeschränkt aufschlussreich, da nicht vollständig. Allerdings muss gesagt werden, dass die anderen Zentren in Belgien keinerlei schriftliches Material zur Verfügung gestellt haben.

Indikationen für PID an der VUB 1993 - 2001 [ 13 ]

PaareZyklen
Reziproke Translokation1624
Robertsonsche Translokation1017
Klinefelter1527
Andere chromosomale Abweichungen1528
Geschlechtswahl4498
Monogenetische Erkrankungen141300
Zusammen241494

Bis Ende 2001 wurden 117 Kinder geboren (74 Einlinge, 29 Zwillinge, 4 Drillinge). Zum Vergleich: Bis Mai 2001 dokumentierte ESHRE die Geburt von 279 Kindern (156 Einlinge, 108 Zwillinge, 15 Drillinge) in 24 Zentren. [ xiv ] Es wird geschätzt, dass bis heute insgesamt ungefähr weltweit 1000 Kinder geboren wurden.

Fehldiagnosen, nicht diagnostizierte Behinderungen und Krankheiten

Da Fehldiagnosen nicht auszuschließen sind, werden die Paare vor der PID gebeten, im Fall einer Schwangerschaft in eine PND einzuwilligen. [ xv ] Bisher ist es zu einer Fehldiagnose gekommen, die Schwangerschaft wurde deshalb beendet.

Von den bisher 117 durch das PID-Verfahren gezeugten und ausgewählten geborenen Kindern kam es zu folgenden Behinderungen bzw. Krankheiten: 1 Chylothorax ("ernsthaftes Problem"), 2 Entwicklungsverzögerungen, 1 Retina pigmentosa, 1 Galactosemia. [ xvi ]

Testangebot für monogenetische Krankheiten

PID wurde 1997 für folgende monogenetische geschlechtsgebundene Krankheiten angeboten: [ xvii ]

    • Muskeldystrophie vom Typ Duchenne
    • Hämophilie A.
    • Wiskott-Aldrich-Krankheit
    • Adrenoleucodystrophie
    • Charcot Marie Tooth-Krankheit
    • "mental retardation"
    • Retinitis pigmentosa

    Und für folgende autosomal rezessive und dominante Krankheiten:

    • Myotone Dystrophie
    • Cystische Fibrose
    • Marfan,
    • ß-Thalassämie
    • 21-ß-Hydroxylase-Defizienz
    • Osteogenesis imperfecta und
    • Sichelzellenanämie

    Ausweitung des Angebots

    Eine komplette Liste der aktuell angebotenen Tests liegt nicht vor. Es sind aber in der Zwischenzeit weitere Tests dazugekommen. So wird seit 2002 Paaren, die möglicherweise Träger von Chorea Huntington sind, dieses aber nicht wissen wollen, ein besonderes Testverfahren angeboten, durch das Kinder gezeugt werden können, die nicht Träger von Chorea Huntington sind, ohne dass Informationen über die genetische Konstitution der Eltern geliefert werden. [ xviii ] Es wurde berichtet, dass der Test auf das Fragile-X-Syndrom aus Kostengründen nicht mehr angeboten wird.

    Die Tests werden auf Nachfrage in einem Zeitraum von mehreren Monaten entwickelt und dann angeboten. Einschränkungen, die auf der Definition der Schwere der Krankheit beruhen oder eine ethische Grundlage haben, gibt es nicht. Das bedeutet, dass das Angebot mit der Nachfrage ständig erweitert wird. Die Finanzierung für die Entwicklung der Test erfolgt durch die belgische Forschungsgemeinschaft FRNS. Sollte es hier zu finanziellen Einschränkungen kommen, können auch weniger Tests entwickelt werden. Demnächst werden auch Gentests für erblich bedingten Brust- und Darmkrebs angeboten werden. Seit 2000 wird eine Studie durchgeführt, die klären soll, ob die PID auch bei Frauen unter 37 bei der IVF als Selektionsmethode bei Chromosomenstörungen eingesetzt werden soll (Libaers*, Sermon*) [ xix ]. Bei einer positiven Antwort würde sich die Zahl der möglichen Nutzerinnen wahrscheinlich stark erhöhen.

    HLA-matching

    Vor der Einführung des HLA-matching hat die Ethikkommission der Klinik der VUB darüber beraten, ob die Technik angeboten werden soll. Die Entscheidung fiel positiv aus, weil man anders als in anderen Einrichtungen davon ausgeht, dass keine Instrumentalisierung des Kindes stattfinden würde, wenn es mit dem Ziel gezeugt wird, einem Geschwisterkind zu helfen. Es ist geplant, im Vorgespräch Informationen darüber zu erhalten, welches Verhältnis die Eltern zu ihrem Kind haben werden, insbesondere, ob sie es nicht nur wegen des Zweckes, sondern um seiner selbst lieben werden. Die Einschaltung der Ethikkommission war übrigens einer der wenigen Fälle, in denen sich dieses mit dem Thema Präimplantationsdiagnostik befasste. An anderer Stelle wurde Libaers dahingehend zitiert, dass jedes Anliegen sorgfältig von einer Ethikkommission aus Experten geprüft werde. [ xx ] Die ist zumindest missverständlich.

    Mögliche Zugangsbeschränkungen für Paare

    Die MitarbeiterInnnen des Zentrums versuchen, Informationen darüber zu erlangen, wie stabil der Wunsch des Paares nach einer PID sei. Außerdem wird bei dem Wunsch nach PID auf monogenetische Krankheiten untersucht, inwieweit der Test überhaupt angemessen ist, d.h. inwieweit eine familiäre genetische Vorbelastung vorliegt. Paare, die aus Gründen des "social sexing" kommen, werden abgewiesen. Inzwischen übersteigt die Nachfrage das Angebot, so dass Paare bis zu zwei Monate vor dem ersten Gespräch warten müssen.

    Indikationen für PID

    Als Indikation für PID wird angegeben: Sub- oder Infertilität (Verbesserung der Erfolgsraten durch Aneuploidiescreening), Familiengeschichte (genetisches Risiko), Ablehnung einer Abtreibung aus religiösen, moralischen oder emotionalen Gründen (sowohl im Fall von chromosomalen Abweichungen als auch von Erbkrankheiten). [ xxi ]

    Paare aus dem Ausland Zwei Drittel der Paare, die PID in der Universitätsklinik der VUB in Anspruch nehmen wollen, stammen aus dem Ausland (v.a. aus Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich). [ xxii ] Im Interview äußerten Sermon und Libaers, dass sich das Verhältnis verändert habe. Mittlerweile seien ca. die Hälfte belgische Paare. Dies ist aber immer noch ein erheblicher Anteil. Es ist also festzustellen, dass die Präimplantationsdiagnostik in Belgien bisher im Wesentlichen von Paaren aus dem Ausland in Anspruch genommen wurde.

    2.2.2 Die Université Libre de Bruxelles (ULB)

    Die ULB bietet erst seit 1999 FISH an. Im Laufe dieses Jahres soll auch die Diagnostik von monogenetischen Erkrankungen angeboten werden, die Vorarbeiten dafür laufen. Im Gegensatz zur VUB wurden mir keine Statistiken zugänglich gemacht. Auch haben die zwei Interviewpartner (Prof. Englert und Dr. Emiliani) unterschiedliche Zahlen geliefert. Diese zeigen, dass die Einrichtung noch sehr am Anfang steht. Es wurden bisher 20 bzw. 30 Paare behandelt und 1 bzw. 3 Kinder (ein Zwillingspaar) geboren.

    Paare wurden bisher nur dann abgewiesen, wenn die Klinik nicht die technischen Möglichkeiten hat, die Untersuchung anzubieten [ 14 ] oder wenn es aus technischen Gründen nicht möglich ist, PID durchzuführen. So muss jeder Zyklus mit 10 Oozyten begonnen werden, weil im Laufe der Untersuchungen Embryonen zerstört werden. In diesem Zusammenhang wird unterstrichen, dass die Methode für die Paare recht belastend sei. Dieser Hinweis findet sich auch an anderer Stelle. Auch die anderen Interviewpartner, die in einem solchen Zentrum arbeiten, haben darauf hingewiesen.

    Auch die ULB setzt zur Befruchtung ICSI ein, um eine Kontamination mit DNS für den genetischen Test des Embryos zu vermeiden.

    Geschlechtswahl

    Social sexing wird abgelehnt.

    Paare aus dem Ausland

    Ca. ein Drittel der Paare kommen aus Italien. In diesem Zusammenhang verweist Emiliani darauf, dass sich die rechtliche Lage in Italien möglicherweise so verändere, dass dort PID nicht mehr möglich sei. Zwei bzw. drei Paare kamen auch aus Deutschland. Die Interviewpartner gehen einerseits davon aus, dass die VUB wegen der Sprache attraktiver sei als ihre frankophone Einrichtung. Andererseits wirbt die Einrichtung auf ihrer Website in deutscher Sprache für ihr Angebot bez. der Fortpflanzungsmedizin (nicht PID).

    2.3 PID außerhalb der Universitäten

    Das Institut LIFE (Leuven) bietet nach den bisher vorliegenden Informationen als einziges außeruniversitäres Institut PID an, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass es weitere Einrichtungen gibt, die ähnliche Wege gehen. Interessanterweise war nur einem der InterviewpartnerInnen in Belgien bekannt, dass LIFE PID anbietet. Es gibt auch keinen Hinweis auf das Zentrum in einem offiziellen Dokument aus Belgien. Allerdings ist LIFE eines der Zentren, das seit kurzem Daten an ESHRE liefert. [ 15 ]

    Da am Institut keine eigene Gendiagnostikexpertise vorhanden ist, gibt es eine enge Kooperation mit Sismer, Bologna. Wissenschaftler von Sismer kommen einmal im Monat nach Leuven, um dort Embryonenbiopsien (und im eingeschränkten Maße Oozytenbiopsien) durchzuführen. Diese finden im Heilig Hart Krankenhaus in Leuven statt. (Campo*)

    Das Institut bietet laut eigener Darstellung PID für monogenetische Krankheiten, das Aneuploidiescreening für unfruchtbare Paare sowie die Analyse von Robertson´schen und reziproken Translokationen an. In verschiedenen Tabellen werden die Erfolgsraten für die verschiedenen Indikationen aufgeführt. Allerdings heißt es: Die Ergebnisse der Techniken, die bei Sismer und in unserem Zentrum durchgeführt werden, werden in den folgenden Tabellen aufgelistet. Es wird also nicht aufgeschlüsselt, welche der 106 Kinder die zwischen 1996 und 2001 nach PID geboren wurden, dem belgischen oder italienischen Zentrum zuzurechnen sind. [ xxiii ]

    2.4 Kosten für die PID

    Die Krankenkassen bzw. das Sozialversicherungssystem übernehmen Teile der Kosten für IVF. Kosten, die im Zusammenhang mit der PID anfallen, werden bisher nicht übernommen. Es gibt allerdings Verhandlungen über die Kostenübernahme (Libaers*). Die ausländischen Paare müssen für die Inanspruchnahme der PID in der Regel mehr bezahlen. Das Universitätskrankenhaus der VUB verlangt von belgischen Paaren 1500 €, von Paaren aus dem Ausland 4200 € (Libaers). [ xxiv ] Für das Angebot der ULB bezahlen belgische Paare ca. 2000 €, Paare aus dem Ausland 3000 € (Emiliani*). Die Kosten für Paare aus dem Ausland, die das Angebot von LIFE, Leuven, in Anspruch nehmen, belaufen sich auf 4500 €. An der Katholischen Hochschule von Leuven ist das Angebot derzeit kostenfrei (Fryns*).

    2.5 Ausbreitung des Angebots

    Durch die Befragungen wurde der Eindruck gewonnen, dass PID zumindest für FISH in der nahen Zukunft in allen Gendiagnostikzentren angeboten werden wird. So erzählte eine der InterviewpartnerInnen, dass vor kurzem eine Krankenschwester eines anderen Krankenhauses [ 16 ] im Zentrum gewesen sei, um Erfahrungen mit der PID zu sammeln. Die Tendenz der Ausweitung wird von Campo von LIFE folgendermaßen illustriert: "Das ist bei uns so in Belgien: wenn es einer macht, dann machen es alle."

    Es ist die Frage, wie es zu dieser aktuellen Verbreitung der PID gekommen ist. Die InterviewpartnerInnen haben den Eindruck vermittelt, dass die Zentren, außer IVF auch PID anbieten müssen, um weiterhin für Patientinnen attraktiv zu bleiben. Es scheint jedenfalls berechtigt, die Entwicklung als "technology driven" zu bezeichnen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann allerdings nichts darüber gesagt werden, ob alle Zentren in Zukunft auch PID für monogenetische Krankheiten anbieten werden. Hier hat die VUB durch ihre langjährige Erfahrung einen Startvorteil, der möglicherweise von den anderen Zentren nicht mehr eingeholt werden kann. Auch ist der Aufwand für die Diagnostik von monogenetischen Erkrankungen höher als bei der Chromosomenanalyse.

    Auch die Indikationen werden weiter zunehmen. So wird die VUB demnächst HLA-matching anbieten und Tests für Brust- und Darmkrebs. Die Weiterentwicklung der Tests würde nur dann eingeschränkt, wenn weniger Forschungsgelder fließen.

    2.6 Präimplantationsdiagnostik für Paare aus dem Ausland

    Dabei ist zu bedenken, dass die Methode keineswegs nur für den "belgischen Markt" angeboten wird. Im Gegenteil: die VUB hatte noch im letzten Jahr zwei Drittel der PatientInnen aus dem Ausland, auch bei der ULB war ca. ein Drittel der Paare aus dem Ausland, die Geschlechtswahl an Spermien in Gent (s. 4.6) wurde überwiegend Paaren aus dem Ausland angeboten. Dies war bereits bei der Befruchtung im Reagenzglas der Fall. Die Website von LIFE ist sowohl auf flämisch und englisch, d.h. sie ist auch an InteressentInnen aus dem Ausland gerichtet.

    2.7 Unterschied zwischen katholischen und laizistischen Einrichtungen

    Den Unterschied im Angebot der Fortpflanzungsmedizin zwischen katholischen und laizistischen Einrichtungen gibt es auch bezüglich der Pränataldiagnostik. Dies wird auch an anderer Stelle bestätigt. So wurden in einer Studie PID-Zentren verschiedener Länder gefragt, welchen Einfluss die Katholische Kirche auf ihre Arbeit habe. Belgien gehörte zu den Ländern, die den Einfluss bejahten (Viville und Pergament). [ xxv ] Auch die InterviewpartnerInnen in Belgien sahen einen Unterschied in der Praxis von Zentren, die nach dem katholischen Leitbild arbeiten, und denen, die dies nicht tun. Dies betrifft zum einen wie bei der Fortpflanzungsmedizin den unterschiedlichen Zugang für heterosexuelle und homosexuelle Paare. Außerdem gibt es Unterschiede bei den Indikationen.

    So soll vorerst an der Katholischen Hochschule von Leuven kein HLA-matching angeboten werden, da dies eine Instrumentalisierung sei (Schotsman*). Auch werde keine Diagnostik auf Trisomie 21 angeboten. Wenn sich allerdings im Laufe der Pränataldiagnostik herausstellen würde, dass der Embryo Träger der Trisomie 21 sei, würde das Paar informiert, um dann eine Entscheidung treffen zu können.

    Inwieweit die (graduellen) Unterschiede zwischen den katholischen und laizistischen Einrichtungen bestehen bleiben, ist nicht abzusehen. Dies hängt möglicherweise eher von ökonomischen als von anderen Faktoren ab.

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