zum Seiteninhalt springen

Biobanken - Konzepte und Umsetzung

Katrin Grüber und Rainer Hohlfeld, Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft, November 2005

Dieses Gutachten ist eine Materialie neben weiteren Studien und Materialien im Rahmen des Monitoring "Biobanken für die humanmedizinische Forschung und Anwendung" im Auftrag des Deutschen Bundestages.

Sie können das Gutachten auch im PDF-Format, 481 KB abrufen.

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Untersuchungsziele
  3. Methoden
  4. Fallstudien

    4.1. Die isländische Biobank
    4.1.2. Erwartungen und Ziele bei der Gründung
    4.1.3. Die Politik der Implementierung
    4.1.4. Der Widerstand gegen das Gesetz und sein Scheitern
    4.1.5. Die isländische Datenbank in der Praxis
    4.1.6. Sozioökonomische Aspekte
    4.2. UK Biobank
    4.2.1. Beschreibung
    4.2.2. Das wissenschaftliche Protokoll der UK Biobank
    4.2.3. Prüfung des Entwurfs des wissenschaftlichen Protokolls
    4.2.4. Ethische Begleitung und Datenschutz
    4.2.5. Aktueller Stand
    4.2.6. Erwartungen
    4.2.7. Der wissenschaftliche, gesellschaftliche und politische Diskurs
    4.2.8. Kosten und langfristiger Finanzierungsbedarf - erwartete Finanzierungsquellen
    4.2.9. Ausblick
  5. Das wissenschaftliche Paradigma von Biobanken
    5.1. Genetische Epidemiologie
    5.1.1. Beschreibung des Konzeptes der genetischen Epidemiologie
    5.1.2. Diskussion über das Konzept der genetischen Epidemiologie
    5.1.3. Bezug auf das Konzept der UK Biobank und der isländischen Biobank
    5.1.4. Relevanz der genetischen Epidemiologie für das Gesundheitswesen
    5.1.5. Vorschläge für weitere methodische Ansätze und Fragestellungen
    5.1.6. Zusammenfassende Diskussion
    5.1.7. Pharmakogenetik, Pharmakogenomik, Medikamentenentwicklung und Humangenomforschung
  6. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
    6.1. Der Status von Bioinformation - Privatisierung, Zugang, Eigentumsfrage
    6.2. Beitrag der Forschung für das Gemeinwohl
    6.3. Informierte Zustimmung der Teilnehmer - Informed Consent
    6.4. Öffentlicher Diskurs und Partizipationsverfahren
    6.5. Datenschutz
    6.6. Rechtliche Regelungen
  7. Gespräche und Interview

Literatur

Fußnoten

1. Einleitung

Der Deutsche Bundestag hat Experten und Institute mit Gutachten im Rahmen des TA-Projektes "Biobanken für humanmedizinische Forschung und Anwendung" beauftragt.

Biobanken existieren oder befinden sich in der Aufbauphase in verschiedenen europäischen und außereuropäischen Ländern sowie auf europäischer Ebene.

Charakteristisch für Biobanken ist die Kombination elektronisch gespeicherter genetischer Datensätze, die aus gesammeltem und gelagertem Körpermaterial (zum Beispiel Gewebe, Blut) gewonnen werden, mit persönlichen Daten (zum Beispiel Krankenakten). Das Ergebnis der Verknüpfung der Daten bildet eine Infrastruktur oder Basis-Dienstleistung für Forschungsvorhaben im Rahmen von Pharmakogenomik, von populationsgenetischen Studien oder von Zwillingsforschung.

Biobanken sind in Bezug auf die Speicherung der gewonnenen Daten und die Datengewinnung langfristig angelegt. Insbesondere diese Langfristigkeit ist bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden.

2. Untersuchungsziele

Die Einschätzungen der Möglichkeiten und Potenziale von Biobanken und ihrer Bedeutung für das Gesundheitswesen sind sehr unterschiedlich.

Einerseits sind die Erwartungen an die Erkenntnisse der genetischen Epidemiologie bzw. an Biobanken sehr hoch. Beispielsweise formuliert der Nationale Ethikrat: "Biobanken sind eine wichtige Ressource zur Aufklärung der Ursachen und Mechanismen von zahlreichen Krankheiten, insbesondere von solchen, die in der Bevölkerung weit verbreitet sind. Durch das immer bessere Verständnis des menschlichen Genoms können zunehmend nicht nur die äußeren Faktoren wie Umwelteinflüsse oder Lebensstil, sondern auch die Erbanlagen (Gene) als Krankheitsursachen oder dispositionen nachgewiesen werden (genetische Epidemiologie)." (Nationaler Ethikrat 2004)

Für andere ist diese positive Einschätzung nicht selbstverständlich. Stefan Schreiber, Leiter des Biobankprojektes und Sprecher des Humangenomforschungsnetzes, hält es für notwendig, auch zu überprüfen, ob die genetischen Faktoren, die das Krankheitsgeschehen beeinflussen, für den "Durchschnittspatienten" relevant sind und nicht nur für "extrem oder schwer kranke Patienten", da die Forschung ansonsten für die klinische Anwendung uninteressant sei (Wagenmann/Schreiber 2005). Paul Burton, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der UK Biobank, überschrieb einen Vortrag mit dem Titel: "UK Biobank: white elephant, black hole or blue chip?". [ 1 ] Im Gegensatz zum Nationalen Ethikrat ist für ihn die Frage also offen, ob Biobanken tatsächlich als wichtige Ressource anzusehen sind.

In dem vorliegenden Gutachten "Biobanken - Konzepte und Umsetzung" werden verschiedene Fragestellungen bearbeitet. Es werden aktuelle Erkenntnisse der genetischen Epidemiologie, die eine wichtige wissenschaftliche Grundlage von Biobanken sind, dargestellt. Dabei soll insbesondere nach der praktischen Relevanz von Informationen über genetische Risikofaktoren für das Krankheitsgeschehen gefragt werden.

Außerdem werden methodische Fragestellungen, die für die Bewertung und Planung von Biobanken wichtig sind, beschrieben. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf die Auswertung von Erfahrungen der Biobanken in Island und Großbritannien gelegt, um daraus allgemeine Schlussfolgerungen abzuleiten. Beide Biobanken haben insbesondere wegen ihrer geplanten Größe (290.000 bzw. 500.000 Personen) internationale Aufmerksamkeit erhalten. Folgende Gesichtspunkte stehen im Fokus: Status von Bioinformation - Privatisierung, Zugang, Eigentumsfrage, Beitrag der Forschung für das Gemeinwohl, Informierte Zustimmung der Teilnehmer - Informed Consent, Öffentlicher Diskurs und Partizipationsverfahren, Datenschutz sowie rechtliche Regelungen.

Case-Study 1: Die Geschichte der isländischen Biobank - Planungen und Umsetzung

Die isländische Biobank soll als Case-Study ausführlich untersucht und dargestellt werden, da sie aus verschiedenen Gründen besonders interessant ist. Gisli Palsson berichtete 2004, dass die erste europäische Biobank größeren Umfanges, die 1998 gegründet wurde, zum Stillstand gekommen sei. Die unterschiedlichen Ursachen dafür sollen aufgezeigt werden.

Darüber hinaus gibt es Konflikte zwischen den Betreibern der isländischen Datenbank und der isländischen Datenschutzbehörde. Deshalb werden in diesem Zusammenhang auch Fragen des Datenschutzes behandelt und es wird Bezug auf den gesellschaftlichen Diskurs genommen. Außerdem soll untersucht werden, welcher Erkenntnisgewinn und welche Schlussfolgerungen aus bisher durch die isländische Biobank gewonnenen Ergebnissen gezogen werden können.

Case-Study 2: UK Biobank

Die UK Biobank befindet sich noch nicht in der Phase der Rekrutierung. Stattdessen sind in dieser Case-Study Fragen des Partizipationsprozesses von Bedeutung. Eine weitere Frage ist die nach der Forschungsförderung, die auch im öffentlichen Diskurs thematisiert wird.

Einen Schwerpunkt der Untersuchung stellt die Darstellung des Konzeptes der genetischen Epidemiologie dar, das der UK Biobank zugrunde liegt. Es wird im wissenschaftlichen Protokoll erläutert, in den Peer Reviews kritisch diskutiert und spielt auch im Expertendiskurs eine entscheidende Rolle. Die Zeitschrift Lancet hat dem Thema genetische Epidemiologie in den Monaten September und Oktober 2005 eine Serie von Beiträgen gewidmet, so dass der aktuelle wissenschaftliche Stand dargestellt werden kann.

Darüber hinaus soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit mit den angegebenen Methoden die gewünschten Ziele erreicht werden können, insbesondere welche Infrastruktur, Methoden und Anforderungen auch in Bezug auf die Spender notwendig sind, um die gestellten Fragen beantworten zu können. Dazu gehört auch eine Einschätzung des Aufwandes der Rekrutierung, der Sammlung und Lagerung von Daten, das Konzept der Datenstruktur und Fragen des Datenschutzes. Der Stand der Umsetzung wird mit dem ursprünglichen Zeitplan verglichen.

Folgende Themenstellungen stehen bei diesem Gutachten im Fokus:

  • Beschreibung der Arbeit von Biobanken (Rekrutierung, Datenverarbeitung etc.)
  • Verhältnis Biobank / potenzieller Nutzer
  • Diskussion des wissenschaftlichen Paradigmas
  • Bezug und Einordnung von Biobanken in die genetische Epidemiologie, aktueller Kenntnisstand der genetischen Epidemiologie, Anforderungen an die Darstellung von Ergebnissen der genetischen Epidemiologie
  • sozioökonomische Aspekte von Biobanken
  • ethische Normen und ihre Sicherung

Das Ziel der Untersuchung ist es, aus den Fallbeispielen auch für andere Länder gültige Schlussfolgerungen für Regulierungsvorschläge und Forschungsförderung abzuleiten.

3. Methoden

Es wurden insbesondere einschlägige wissenschaftliche Untersuchungen, Dokumente, Fachzeitschriften, Kongressberichte, Veröffentlichungen im Internet, gedruckte Publikationen und Broschüren über die Biobanken in Island und Großbritannien zu den oben genannten Fragestellungen ausgewertet, soweit diese zugänglich waren. [ 2 ]

Von besonderer Bedeutung bei diesem Gutachten waren die Experteninterviews. Sie lieferten den Hintergrund für diesen Bericht - quasi als authentische Rückkoppelung zur Realität. Darüber hinaus ergänzten sie das Datenmaterial und konkretisierten die Informationen. Im Rahmen der Untersuchung der isländischen Biobank wurden wichtige Gesprächspartner aus Behörden, dem Parlament und verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen mit Hilfe von Experten ausfindig gemacht und angeschrieben. Wir danken Vilhjalmur Arnason und Skuli Sigurdsson für wichtige Hinweise auf Gesprächspartner und den Gesprächspartnern, die so bereitwillig zugesagt haben. Eirikur Sigurdsson, Informationsdirektor von deCode genetics, bedauerte keine Zeit für das Gespräch zu haben. Er verwies auf den Internetauftritt der Firma, der einen guten Überblick über Forschung und wissenschaftliche Veröffentlichungen verschaffe.

In Großbritannien war der Besuch der UK Biobank von besonderer Bedeutung, weil er gute Einblicke in die praktische Umsetzung einer Biobank ermöglichte, auch wenn sich die UK Biobank derzeit noch in der Planungsphase befindet. Weitere Gesprächspartner kamen aus der Wissenschaft, aus dem Kreis der Förderer und der Politik. Auch ihnen sei gedankt. Helen Wallace von GeneWatch sei extra erwähnt, da wir ihr den wichtigen Hinweis auf eine Serie über genetische Epidemiologie im Lancet verdanken.

Die Interviewpartner wurden vor dem Gespräch gefragt, ob sie mit einer Aufzeichnung einverstanden sind, was bis auf einen Fall gestattet wurde. War Rücksprache erwünscht, wurden Zitate oder Hinweise vom Interviewpartner autorisiert. Die Tonaufnahmen wurden abgehört, aber nicht transkribiert. Sie werden aufbewahrt.

Für Recherchen, Auswertungen und die Redaktion des Textes danken wir Peter Düweke.

Die abschließende Redaktion wurde dankenswerterweise von Barbara Schmelz übernommen.

weiterblättern

Seitenanfang


© 2008 | IMEW - Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft
www.imew.de