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Friedrichshainer Kolloquien 2009

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Dienstag, 8. Dezember 2009, 16:00 – 19:00
Disability Mainstreaming in der Entwicklungszusammenarbeit

Die Bedeutung der UN-Behindertenrechtskonvention für die internationale Zusammenarbeit
Rika Esser, Bensheim

Die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) wird in der derzeitigen Debatte in Deutschland vorrangig als Instrument verstanden, mit Hilfe dessen auf nationaler (deutscher) Ebene Veränderungen herbeigeführt werden können. Die BRK beinhaltet als erste Konvention jedoch auch Artikel, die sich auf die Internationale Zusammenarbeit und Humanitäre Notlagen beziehen. Diese sollen in Zukunft inklusiv gestaltet werden.
Im Vortrag ordnet Rika Esser die BRK in das bestehende UN-Menschenrechtssystem ein und erläutert die Bedeutung der BRK für Menschen mit Behinderungen aus weltweiter Perspektive. Sie stellt die Besonderheiten der BRK im Vergleich zu den bisherigen Anknüpfungspunkten sowie die konkreten Artikel zur Internationalen Zusammenarbeit vor. Durch die UN-Konvention verstärkte oder erst ermöglichte Entwicklungen auf multilateraler (z.B. Inclusive Millennium Development Goals – MDGs) sowie nationaler Ebene (Staatliche Akteure als auch Zivilgesellschaft) werden anhand konkreter Beispiele veranschaulicht. Im Ausblick werden die bestehenden Herausforderungen auf dem Weg zu einer inklusiven Entwicklungszusammenarbeit diskutiert.

Power-Point-Präsentation zum Vortrag von Rika Esser

Disability Mainstreaming als Instrument einer inklusiven Entwicklungspolitik
Gabriele Weigt, Essen

Mit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland steht die Entwicklungspolitik vor einer neuen Aufgabe. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit sowie die humanitäre Hilfe sind gefordert, Menschen mit Behinderung gleichberechtigt in ihren Projekten und Programmen zu berücksichtigen. Es gilt, die in der Konvention verankerte internationale Perspektive – die Verantwortung zur Bekämpfung von Armut und zum Engagement für eine nachhaltige Entwicklung – umzusetzen.
Gabriele Weigt wird in ihrem Vortrag das Disability Mainstreaming als Instrument einer inklusiven Entwicklungszusammenarbeit vorstellen: Welche Anstrengungen werden seitens des zuständigen Ministeriums unternommen, um eine inklusive Entwicklungszusammenarbeit umzusetzen? Wie sieht es bei nicht-staatlichen Organisationen aus und wie müssen sich behinderungsspezifische Organisationen verändern, um dem menschenrechtlichen Anspruch gerecht zu werden?

Power Point Präsentation zum Vortrag von Gabriele Weigt

Dienstag, 23. Juni 2009, 16:00 – 19:00
Disability forschen und studieren?

"Behinderung" ist ohne "Nichtbehinderung" nicht denkbar. Überlegungen zu einer komplexen Forschungsperspektive
Dr. Petra Fuchs, Erziehungswissenschaftlerin und Historikerin, Berlin

Wenn wir von der Prämisse ausgehen, dass „Behinderung“ ein soziales und kulturelles Konstrukt ist, „Behinderung“ also soziokulturell hergestellt wird, dann gilt diese Voraussetzung gleichermaßen für „Nichtbehinderung“. In der mittlerweile publizierten und stetig zunehmenden deutschsprachigen Forschungsliteratur zum Phänomen „Behinderung“ wird dieser Aspekt jedoch bislang weder thematisiert noch wissenschaftlich analysiert. Dieser Umstand ist umso erstaunlicher als das Konstrukt „Nichtbehinderung“ implizit als Synonym für „Normalität“ gebraucht wird, an dem „Behinderung“ sich erst messen lässt. Beide Begrifflichkeiten und die dahinter stehenden Konstruktionen sind eng aufeinander bezogen und können daher nicht als scheinbar losgelöste Einzelphänomene in den Blick genommen werden. In ihrem Vortrag stellt Petra Fuchs dieses Forschungsdesiderat zur Diskussion. Sie untersucht die Beziehungen der Konstrukte von „Behinderung“ und „Nichtbehinderung“ in ihrer dialektischen Abhängigkeit voneinander und geht der Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Begriffe nach. Petra Fuchs plädiert für eine erweiterte Forschungsperspektive, die sich mit den Prozessen der Unterscheidung von „Behinderung“ und „Nichtbehinderung“ auseinandersetzt und nach deren Bedeutung und Funktion für die unterschiedlichen Akteure in den jeweiligen Gesellschaften und Kulturen fragt.

Aufbau eines Studiengangs Disability Studies in Hamburg
Lars Bruhn/Jürgen Homann, Hamburg

Jürgen Homann und Lars Bruhn initiierten 2005 das Zentrum für Disability Studies (ZeDiS) an der Universität Hamburg. Sie stellen Überlegungen zur Entwicklung eines Studiengangs 'Disability Studies' und zur langfristigen Etablierung von Disability Studies an der Hochschule vor. Diese werden im Kontext des "Guidelines for Disability Studies Programs" der US-amerikanischen Society for Disability Studies sowie der UN- Behindertenrechtskonvention präsentiert und zur Diskussion gestellt.

Zum Nachlesen:

Der Beitrag von Bruhn / Homann zum Nachlesen im pdf-Format (100 KB)

Dienstag, 28. April 2009, 16:00 – 19:00
Pflege zwischen Ausgrenzung und Teilhabe

Mit der Diagnose „chronisch psychisch krank“ ins Pflegeheim? Eine Untersuchung der Situation in Berlin
Prof. Dr. Ralf-Bruno Zimmermann, Berlin

In einer aufwendigen Studie wurde untersucht, wie psychisch kranke Berlinerinnen und Berliner in Pflegeheime gelangen und wie es ihnen dort ergeht. Es stellte sich heraus, dass es in Berlin keine sachlich und fachlich adäquate Steuerung der Heimunterbringung für psychisch kranke Menschen gibt, im Gegensatz zu den übrigen Bereichen der sozialpsychiatrischen Versorgung. Die Platzierung wird ohne ausreichende Abstimmung mit anderen Fachleuten und Institutionen von einzelnen Akteuren betrieben. Sie ist abhängig von Umständen, die eher mit Problemen des Versorgungssystems oder einzelner Institutionen als mit den Betreuten selber zu tun haben und erfolgt meist über die Köpfe der Betroffenen hinweg. Die getroffenen Entscheidungen werden im Regelfall nicht wieder überprüft, namentlich nicht extern oder unabhängig.

Teilhabe und Autonomie als Pflegeziele – Überlegungen aus pflegeethischer Sicht
Dr. Marianne Rabe, Berlin

Das Berufsverständnis der Pflege ist traditionell „maternalistisch“; ihr Verständnis von Krankheit und Behinderung ist aus Mangel an beruflichem Selbstbewusstsein oft medizinorientiert. Da sind Autonomie und Teilhabe nicht die naheliegendsten Pflegeziele. Gleichzeitig versteht sich die Pflege als eine beziehungsorientierte Profession. Eine reflektierte, nicht maternalistische Fürsorge beinhaltet Solidarität und Empathie ebenso wie Respekt vor der Autonomie und öffnet den Blick auf ein emanzipatorisches Verständnis von Pflege.

Dienstag, 10. März 2009, 16:00 – 19:00
Gesellschaftliche Stellung behinderter Menschen

Soziale Gerechtigkeit für Menschen mit Behinderung
Prof. Dr. Johannes Eurich, Bochum

Behinderung und Menschenrechte
Dr. Sigrid Graumann, Berlin

Gleiche Rechte, Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe sind die Schlüsselbegriffe der aktuellen Behindertenpolitik, durch die sich die gesellschaftliche Stellung vieler behinderter Menschen in den vergangenen Jahren verbessert hat.

Aber reichen gleiche Rechte, Selbstbestimmung und die Forderung nach Teilhabe aus, um soziale Gerechtigkeit für Menschen mit Behinderung zu verwirklichen? Johannes Eurich hinterfragt die anthropologischen und sozialen Voraussetzungen sozialer Gerechtigkeit und diskutiert das Akteursmodell, das vielen Vorstellungen zugrunde liegt. Eine mehr an den faktischen Lebensmöglichkeiten und Einschränkungen orientierte Sicht des Subjekts ist notwendig, um etwa im Fall kognitiver Beeinträchtigungen eine differenziertere Auslotung seiner Selbstbestimmungsmöglichkeiten vornehmen zu können.

Ein Meilenstein auf dem Weg von einer Politik der Wohltätigkeit zu einer Politik der Menschenrechte wird von vielen in der UN-Behindertenrechtskonvention gesehen. Manche befürchten aber, dass eine Politik der Menschenrechte zwangsläufig diejenigen behinderten Menschen vernachlässigen könnte, die auf ein hohes Maß an Unterstützung angewiesen sind. Sigrid Graumann legt dar, dass die Konvention auf diese Befürchtung mit dem Konzept assistierter Selbstbestimmung antwortet, dessen Verwirklichung allerdings unser herrschendes Verständnis sozialer Gerechtigkeit herausfordert.

Der Beitrag von Johannes Eurich zum Nachlesen im barrierefreien html-Format

Der Beitrag von Johannes Eurich zum Nachlesen im pdf-Format (200 KB)

Dienstag, 10. Februar 2009, 16:00 – 19:00
Behinderung als soziales Phänomen

Ich bin nicht hauptamtlich behindert - Identitätssuche behinderter Menschen
Pfarrerin Dr. Esther Bollag, Hamburg

Diskurse über Behinderung und ihre Kritik
Dr. Mechthild Hetzel, Innsbruck/Frankfurt a.M./Darmstadt

'Behinderung als soziales Phänomen' umfasst das Spannungsfeld zwischen Selbstwahrnehmung und Identität von behinderten Menschen einerseits und der Zuschreibung von Behinderung durch soziale Umwelt und Gesellschaft andererseits. Die Vorträge behandeln das Thema von jeweils einer dieser beiden Seiten.

Esther Bollag betrachtet das von einer Behinderung betroffene Individuum. Ihr Vortrag bewegt sich entlang der Themen: 1. Wer sind die Identitäts-Agenten? 2. Wichtigkeit von Körper. 3. Identität. Behindert – Frau – und dann noch intellektuell! 4. Religion - Hilfe oder Hindernis zur Identitätsfindung - christliche Denkmuster unter der Lupe. 5. Stigma-Management oder Behinderungs-Management?. Dabei reflektiert sie eigene Erfahrungen anhand der Bücher von A. Fries (2005): Einstellungen und Verhalten gegenüber körperbehinderten Menschen – aus der Sicht und im Erleben der Betroffenen, und B. Jeltsch-Schudel (2008): Identität und Behinderung – Biographische Reflexionen erwachsener Personen mit einer Seh-, Hör-, und Körperbehinderung.

Mechthild Hetzel untersucht die in hohem Maße polarisierten Diskurse von Behinderung. Anhand der Frage, wo und wie Behinderung gegenwärtig zur Sprache kommt, zeigt sie auf, inwiefern Menschen als Behinderte zu den ganz Anderen gemacht werden, also zu Menschen, bei denen noch einmal alles anders sei als bei allen anderen. Es wird eine Logik kritisiert, die jedes Verhalten und jede Lebensäußerung stets unter dem Blickwinkel der Behinderung zu beschreiben und zu deuten sucht. Wie aber wäre dann noch von Behinderung zu sprechen?

Zum Nachlesen:

Der Beitrag von Mechthild Hetzel im barrierefreien html-Format

Der Beitrag von Mechthild Hetzel im pdf-Format

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