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Friedrichshainer Gespräche 2004-2008

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23. September 2003
Experten reden anders - Laien auch

Vom 18. bis zum 24. September 2003 fanden in Berlin zahlreiche Veranstaltungen statt unter dem Motto:

Stadt der 1000 Fragen. Berlin denkt nach über Bioethik.

Beim 6. Friedrichshainer Gespräch: "Experten reden anders, Laien auch", wurde in einem round-table-Gespräch zwischen Expertinnen und Experten aus verschiedenen Richtungen folgenden Fragen nachgegangen:

  • Was macht eigentlich einen Experten/eine Expertin aus?
  • Sind wir alle Experten/Expertinnen?
  • Worin sind wir Experten/Expertinnen?
  • Warum reden Experten/Expertinnen und Laien so oft aneinander vorbei?
  • Was ist die Rolle von Experten/Expertinnen?
  • Warum sind sie nötig?
  • Wie können die Verständigungsschwierigkeiten überwunden werden?

Begrüßung:

der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung

Referentinnen und Referenten:

Prof. Gerd Gigerenzer, MPI für Bildungsforschung, Berlin
Dr. Sigrid Graumann, IMEW
Martina Puschke, Weibernetz Kassel
Dr. Mechthild Boos, Teilnehmerin an der Bürgerkonferenz Dresden

Moderation:

Dr. Katrin Grüber, Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft (IMEW)

7. Mai 2003
Patientenverfügungen - für wen?

Dott. Paolo Bavastro

Mit Hilfe von Patientenverfügungen soll der erklärte Wille vieler Menschen nach einem "Sterben können in Würde" verbindlich umgesetzt werden, vor allem für solche Situationen, in denen er nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern. Die Patientenverfügung ist eine vorsorgliche Willensbekundung, mit der für Fälle schwerer irreversibler Schädigungen lebenswichtiger Organe, die ein Leben bei Bewusstsein verunmöglichen, der Verzicht auf lebensverlängernde intensiv-medizinische Maßnahmen erklärt wird. Seit Ende der 70er Jahre gewinnt bei uns die Patientenverfügung immer mehr an Bedeutung; mittlerweile gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Formularen.

Patientenverfügungen stehen im Widerstreit. Einerseits werden sie als wertvolle Kommunikationsbrücke im Arzt-Patienten-Verhältnis und als Ausdruck des Rechts auf Selbstbestimmung gesehen. Auf der anderen Seite wird davor gewarnt, dass sie die Arzt-Patienten-Beziehung verändern, wenn sie ohne Anbetracht der individuellen Situation zur Handlungsbestimmung des Arztes werden. Es wird angezweifelt, ob mit ihrer Hilfe das Leben mit schwerer Krankheit und der Sterbeprozess einfacher werden und ob sie tatsächlich eine Möglichkeit darstellen, mit der Angst vor Leiden und Schmerzen umzugehen. Dott. Paolo Bavastro, Leitender Arzt in der Filderklinik, hat in seinem Vortrag sowohl einen Überblick über den praktischen Umgang mit der Patientenverfügung gegeben, als auch die Auswirkungen der Patientenverfügung auf das Arzt-Patienten-Verhältnis beleuchtet und aufgezeigt, welche ethischen Probleme mit ihr verbunden sind.

2. April 2003
Jeder Mensch stirbt anders - Die Arzt-Patient-Kommunikation am Ende des Lebens

Prof. Dr. Linus S. Geisler

Immer mehr Menschen sterben im Krankenhaus und nicht in ihrem vertrauten Umfeld. Dort sind sie konfrontiert mit einem Krankenhausalltag, der die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben und Tod erschweren kann. Diese Situation stellt die Arzt-Patienten-Beziehung vor eine besondere Herausforderung. Sie ist gekennzeichnet durch den individuellen Sterbeprozess des Patienten, dem sich der Arzt mit seiner Beobachtung und in seiner Kommunikation widmen muss. Das Sprechen und der Umgang mit Todkranken und Sterbenden ist jedoch in der Praxis schwierig zu bewältigen, in der Folge davon fühlen sich viele Patienten allein gelassen.

Die moderne Medizin ist gekennzeichnet durch eine Verdrängung der Sprache durch die Technik. Dadurch kommt das Gespräch zwischen Arzt und Patient zu kurz, tief greifende Kommunikationsstörungen sind die Folge. Die Fähigkeit, mit dem Patienten zu sprechen, spielt in der Medizinerausbildung nur eine geringe Rolle.

Prof. Dr. med. Linus Geisler, der viele Jahre Chefarzt einer Inneren Abteilung war, hat diese Problematik anhand konkreter Beispiele aus der Praxis erläutert und aufgezeigt, welche Wege gegangen werden müssen, damit Arzt und Patient besser miteinander sprechen können und zu einem verstehenden Gespräch gelangen.

Veröffentlichung des Vortrags:

Linus S. Geisler, Jeder Mensch stirbt anders - Arzt-Patient-Kommunikation am Lebensende, in: Medizin, Ethik und Behinderung, S. 173-192

12. November 2002
Im Zweifel für das Leben? Zur aktuellen Debatte um die Sterbehilfe

Dr. Michael Wunder

Nach den Niederlanden hat jetzt Belgien als zweites Land in Europa die aktive Sterbehilfe bei Menschen erlaubt. Was die einen als Sieg des Rechtes auf persönliche Autonomie feiern, bewerten die anderen als schwerwiegende Grenzüberschreitung, die insbesondere das Leben von schwerkranken Patienten bedroht, die sich nicht oder nicht mehr äußern können.

Die Enquetekommission des Deutschen Bundestages "Recht und Ethik der modernen Medizin" hat festgestellt, dass es einen gravierenden Unterschied gibt zwischen dem überwiegend geäußerten Wunsch von Sterbenden, in gewohnter, häuslicher Umgebung zu sterben, nicht allein gelassen zu werden und nicht unter Schmerzen leiden zu müssen und der Realität. Die Palliativmedizin ist in Deutschland immer noch ein Stiefkind. Die Hospize sind trotz Verbesserungen immer noch chronisch unterfinanziert.

In Deutschland wurden 1998 die Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung verabschiedet, in denen Maßnahmen der passiven Sterbehilfe auch auf Nicht-Sterbende, beispielsweise Komapatienten, angewandt werden kann.

Dr. Michael Wunder, der Sachverständiger in der Enquetekommission war, hat in seinem Vortrag sowohl einen Überblick über die rechtliche Situation in Belgien und den Niederlanden gegeben, als auch die Auswirkungen der Grundsätze der Bundesärztekammer beleuchtet und aufgezeigt, welche Wege gegangen werden müssen, um die oben beschriebenen Wünsche zu erfüllen.

Veröffentlichung des Vortrags:

Michael Wunder, Im Zweifel für das Leben? - Zur aktuellen Debatte um die Sterbehilfe, in: Medizin, Ethik und Behinderung, S. 152-172

8. Oktober 2002
Chronisch kranke Menschen - von der Medizin ignoriert?

Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner

Immer mehr Menschen, die in Arztpraxen kommen, sind chronisch und nicht akut erkrankt. Bald werden chronisch Kranke die Regel und nicht die Ausnahme sein. Viele Ärztinnen und Ärzte handeln allerdings vor allem nach dem Akutkranken-Schema und nehmen die Ansprüche und Bedürfnisse von Menschen mit chronischen Erkrankungen nur unzureichend wahr. Es ist zweifelhaft, dass das DMP (disease management program) Fortschritte bringt. Möglicherweise stigmatisiert es und geht an den Bedürfnissen der chronisch Kranken vorbei.

Nicht nur in der medizinischen Praxis, auch in der staatlichen Forschungspolitik kommen chronisch Kranke so gut wie nicht vor. Sie orientiert sich vor allem am Versprechen, Krankheiten zu heilen und hat die Linderung oder eine Unterstützung für die Betroffenen und ihre Angehörigen kaum im Blickfeld.

In dem Vortrag und der anschließenden Diskussion hat Klaus Dörner nicht nur eine Zustandsbeschreibung gegeben, sondern auch Wege aufgezeigt, wie ein Paradigmenwechsel befördert werden kann. Die Ethik des Heilens muss ergänzt werden um eine Ethik des Besserns, des Linderns und der Begleitung?

Veröffentlichung des Vortrags:

Klaus Dörner, Chronisch kranke Menschen - von der Medizin in ihrer Eigenart verkannt, in: Medizin, Ethik und Behinderung, S. 89-97

26. Juni 2002
Bioethik oder Biopolitik? Die öffentliche Debatte über die "Selektion" und "Manipulation" menschlichen Lebens

Dr. Sigrid Graumann
Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Institutes Mensch, Ethik und Wissenschaft

Neue Entwicklungen in der Biomedizin wie die Präimplantationsdiagnostik, die embryonale Stammzellforschung und das Klonen von Menschen werden seit geraumer Zeit in der Öffentlichkeit ausgesprochen kontrovers diskutiert. In dem Vortrag hat Sigrid Graumann die Entwicklung dieser Mediendebatte von 1995 bis heute nachgezeichnet, die wichtigsten Akteure vorgestellt, die zentralen Position und Argumentationen dargelegt, aber auch Ausschließungen und Diskursstrategien herausgearbeitet. Dabei zeigte sich, dass es in dieser Debatte nicht nur um die genannten konkreten Praxisfelder der Biomedizin, sondern auch um kulturelle Fragen wie den Umgang mit Leben, Behinderung, Gesundheit, Krankheit und Tod geht.

Veröffentlichung des Vortrags:

Sigrid Graumann, Bioethik oder Biopolitik? Zum Verhältnis von akademischem und öffentlichem Diskurs über die "Selektion" und "Manipulation" von menschlichem Leben, in: Medizin, Ethik und Behinderung, S. 15-45

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