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Biobanken - Konzepte und Umsetzung, Teil 6

Katrin Grüber und Rainer Hohlfeld, Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft, November 2005

6. Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Folgende Gesichtspunkte haben sich bei der Auswertung der Fallstudien Island und Großbritannien als entscheidend in Bezug auf die Einrichtung und Durchführung von Biobanken herausgestellt:

  • Status von Bioinformation - Privatisierung, Zugang, Eigentumsfrage
  • Beitrag der Forschung für das Gemeinwohl
  • Informierte Zustimmung der Teilnehmer - Informed Consent
  • Öffentlicher Diskurs und Partizipationsverfahren
  • Datenschutz
  • Rechtliche Regelungen

6.1. Der Status von Bioinformation - Privatisierung, Zugang, Eigentumsfrage

Ein wichtiger Punkt im Diskurs von Biobanken ist die Frage nach dem Status von Bioinformationen. Wem gehören die Daten: der betreffenden Person, obwohl sie kein Eigentum reklamieren kann wie bei Blut oder Zellen, dem Forscher, der sie herstellt bzw. bearbeitet? Gehören sie allen? Oder niemandem? Inwieweit können Gesundheits- und andere Daten als etwas verstanden werden, das Institutionen, Individuen oder gar Firmen besitzen dürfen?

In den Fallbeispielen Island und Großbritannien wurden die Fragen unterschiedlich entschieden. Im Falle Island wäre der Staat Eigentümer der Gesundheitsdaten gewesen. deCode hätte für die Nutzung der Gesundheitsdatenbank in einem Zeitraum von 12 Jahren eine Lizenz gezahlt, wäre also nicht Eigentümer der Daten geworden. [ 86 ] Im Falle von Großbritannien soll es die gemeinnützige UK Biobank werden, die die Daten im Sinne des Gemeinwohls ′verwaltet′, aber die Rechte an den Daten hat (siehe dazu Ethics and Governance Framework).

Eine andere Frage in diesem Zusammenhang ist die nach dem Zugang zu diesen Daten. In Island war dies eine der entscheidenden Fragen, die Ärzte und Forscher bewogen hat, das Gesetz über die Gesundheitsdatenbank zu kritisieren. Von besonderer Brisanz war die Tatsache, dass das Gesetz deCode als einziger Firma das Recht einräumt, die Daten zu nutzen und anderen den Zugang zu diesen Daten zur Forschung zu versagen, wenn dies im Firmeninteresse ist. Deshalb sahen einige Forscher ihre Möglichkeiten für Forschungen bedroht. Hinzu kam die Nutzung durch eine private Firma. Es hätte wahrscheinlich weit weniger Diskussionen gegeben, wenn der Staat die zentrale Gesundheitsdatenbank geplant hätte.

Eine nicht unwesentliche Komponente des Protestes gegen das Projekt bestand in der Eigentumsfrage: Dass eine private Firma einen exklusiven Zugang zur Datenbank erhielt und anderen den Zugang verwehren konnte, stieß gleichermaßen bei Teilen der Bevölkerung und in der biomedizinischen Community auf Empörung. Da es vor einigen Jahren in Island ein Gesetz über die Lizenzvergabe an Kabeljau gegeben hatte, lag es für einige nahe, Genen bzw. Gesundheitsdaten mit der Ressource Fisch zu vergleichen. In Großbritannien soll ein anderer Weg gegangen werden. Die Datenbank soll für alle offen sein, und es soll keinen privilegierten Zugang geben. Die Nutzer sollen für die Nutzung der Daten zahlen, also für eine Leistung. Das entspricht aber mehr einer Gebühr.

Ein weiterer Punkt ist die Frage danach, wer durch die Nutzung der Daten profitiert. Die Firma deCode hatte ursprünglich angekündigt, diejenigen Medikamente, die durch die Nutzung der Gesundheitsdatenbank entwickelt würden, den Isländern kostenlos zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig war die Nutzung der Daten verbunden mit der Aussicht, Arbeitsplätze zu schaffen und die isländische Wirtschaft zu fördern.

In Großbritannien ist das Narrativ der UK Biobank das Gemeinwohl. Das Projekt soll der Forschung dienen und einen Beitrag für die Gesundheit von Menschen leisten. Eine mögliche wirtschaftliche Nutzung wird nachrangig thematisiert. Teilweise wird eine Nutzung durch Firmen in den Kontext des Gemeinwohls gestellt, indem gesagt wird, die Firmen würden ihren Beitrag zum medizinisch-technischen Fortschritt leisten, indem sie Erkenntnisse in die Praxis umsetzen. Indem die UK Biobank immer wieder die Frage des Gemeinwohls betont, hat sie implizit die Fragen des Benefit Sharing aufgegriffen.

Allerdings spielt auch in Großbritannien die Frage der Patentierung eine Rolle, die Nichtregierungsorganisationen problematisieren.

Es gibt offensichtlich einen Unterschied zwischen der Regelung des Datenzugangs und der Frage, wer die Daten besitzt. Darüber hinaus sollte klargestellt werden, dass Bioinformationen, selbst wenn sie jemandem gehören, gleichwohl nicht als Ware betrachtet und behandelt werden sollten, sondern als öffentliches Gut, wie es die Politologin Ingrid Schneider gefordert hat (Schneider 2003).

6.2. Beitrag der Forschung für das Gemeinwohl

Insbesondere in Großbritannien wird das Projekt der Biobank als wichtiger Beitrag für den medizinischen Fortschritt dargestellt. Die Artikel der Serie im Lancet zeigen allerdings, dass der Beitrag der UK Biobank für das Gemeinwohl nicht klar umrissen werden kann. Erwartet wird ein möglicher Erkenntnisfortschritt in den nächsten Jahrzehnten, der sich möglicherweise in konkreten Verbesserungen im Gesundheitswesen oder in der individuellen Therapie niederschlägt.

Gleichwohl soll denen, die an dem Projekt teilnehmen, vermittelt werden, dass sie einen wichtigen Beitrag leisten und dass es sich lohnt, eine umfassende Zustimmung zu geben für jegliche Art der Forschung und für alle möglichen Nutzer. Die Betreiber der Biobanken appellieren an den Altruismus der Teilnehmer, die persönlich in keiner Weise von dem Projekt profitieren, sondern im Gegenteil Zeit investieren müssen - zum Zeitpunkt der Probennahme und auch in der Zukunft, wenn sie wieder kontaktiert werden. Eine Frage eher aus psychologischer oder soziologischer Sicht ist, ob es gelingen kann, 500.000 Menschen zwischen 40 und 69 in Großbritannien dazu zu bewegen, genau dies zu tun. Es wird sich in den nächsten Jahren herausstellen, wie Erfolg versprechend der Weg der UK Biobank ist. Die andere Frage ist, ob es aus ethischer Sicht angemessen ist, dies zu tun. Kann es einen Anspruch geben, nur dann an den Altruismus anderer zu appellieren, wenn der Beitrag für die Allgemeinheit erkennbar groß ist?

6.3. Informierte Zustimmung der Teilnehmer - Informed Consent

Es erscheint entscheidend, was potenzielle Teilnehmer wissen wollen und wissen sollten, bevor sie sich am Projekt einer Biobank beteiligen, denn ihre Teilnahme wird ohne ihre erklärte Zustimmung nicht möglich sein. Es sollte dokumentiert werden, dass die Probennahme nicht gegen ihren Willen bzw. ohne ihr Wissen erfolgt. In Island allerdings wurde die Zustimmung unterstellt, das heißt, es wurde angenommen, dass die Einzelnen bereit sind, ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Andernfalls mussten sie aktiv Widerspruch einlegen. Üblicherweise unterschreiben die Teilnehmer einen so genannten Informed Consent (siehe Kapitel 4.2.2.), der sehr unterschiedlich ausgestaltet sein kann.

Idee und Praxis des Informed Consent des Patienten stammen aus einer Zeit, in der vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Arzt und Patient im Vordergrund standen und der Arzt die Zustimmung des Patienten über Behandlungsprozeduren einholte - ein Prinzip, welches auf den Hippokratischen Eid zurückgeht. Wesentliches Prinzip ist dabei, dass die ärztliche Handlung bekannt ist, so dass eine Information über das geplante ärztliche Handeln erfolgen kann. Dies gilt auch für die Handhabung von Informationen für Patienten über konkrete Forschungsvorhaben. Die Frage ist, inwieweit diese Bedingungen bei Biobanken noch gegeben sind. Eine Biobank ist auf Jahrzehnte angelegt, und es kann zu Beginn nicht abgeschätzt werden, welche Art von Forschung in Zukunft betrieben wird und was mit den Ergebnissen geschieht.

In Großbritannien sollen die Teilnehmer ihre Zustimmung für alle möglichen, nicht näher beschriebenen Untersuchungen geben. Der Informed Consent ist breit angelegt. Die Teilnehmer werden im Gegensatz zu anderen Ländern wie zum Beispiel Schweden keine Möglichkeit der Differenzierung haben. Ein solcher Globalkonsens eröffnet der Forschung umfassende Nutzungsmöglichkeiten ohne Festlegung auf einen bestimmten Zweck oder ein bestimmtes Forschungsvorhaben. Die einzige Option, die Teilnehmer haben, die im Laufe der Jahre feststellen, dass ihnen die Forschung mit ihren Daten nicht behagt, ist der Widerruf ihrer Zustimmung.

Nach Williams (2005) ist eine informierte Zustimmung, wie bei klinischen Versuchen üblich, für die Biobank nicht praktikabel. Wegen der Bandbreite möglicher Studien könne nicht jedes Mal nachgefragt werden, nicht zuletzt weil dies für die Teilnehmer lästig sei. Kollek et al. (2005) fragen dagegen, inwieweit es zulässig ist, die Einwilligung nicht auf ein bestimmtes Forschungsprojekt oder bestimmte Forschungszwecke oder -bereiche zu beschränken, sondern allgemein für Forschungszwecke zu erteilen (Kollek et al. 2005).

Zum Datenschutz: In Großbritannien wird der breite Consent flankiert von Sicherungsmaßnahmen durch Verfahren. Die UK Biobank sichert die Einhaltung von ethischen Standards zu. Alle Forschungsvorhaben mit Daten der UK Biobank werden daraufhin überprüft, ob sie den ethischen Standards entsprechen. Außerdem wurde der Ethics and Governance Council eingerichtet, der dafür sorgen soll, so die Überlegung, dass die Interessen der Teilnehmer gewahrt werden. Allerdings hat er kein Vetorecht und trifft keine Entscheidungen, sondern kann nur Empfehlungen abgeben.

Vilhjalmur Arnason (2004) schlägt vor, bei Biobanken nicht mehr einen Informed Consent einzuholen, weil eine informierte Zustimmung in dem Sinne, dass die Menschen wissen, welche Untersuchungen gemacht werden, nicht möglich ist. Vielmehr sollen die Betroffenen eine schriftliche Genehmigung über die Nutzung ihrer Proben und Daten für Forschungszwecke erteilen. Diese hat einen ähnlichen Charakter wie der Informed Consent, der von der UK Biobank eingeholt wird, ist aber allgemeiner gefasst. Die schriftliche Genehmigung wird flankiert durch eine Verfahrenssicherung, indem ein Ethikkomitee die Interessen der Teilnehmer schützen soll.

Sigridur Thorgeirsdottir* spricht das Problem an, dass eine individuelle Zustimmung in Bezug auf die Nutzung von Bioinformationen nicht akzeptabel sei und man es dem Einzelnen möglichst einfach machen sollte, auch die Hintergründe des Projektes zu verstehen. Dazu sei es notwendig, dass verschiedene Stimmen gehört werden, gerade auch kritische. Sie weist also auf das Problem hin, dass das "autonome Individuum arelational und ohne Kontext angesehen" werde und dass der Kontext von Entscheidungen ignoriert werde. Schließlich könne einerseits genetische Information über ein Individuum auch Informationen über andere Familienmitglieder liefern. Andererseits habe möglicherweise die Forschung Auswirkungen auf "unsere Vorstellungen vom Gesundheitswesen", was wiederum individuelle Entscheidungen beeinflusse. Sie schlägt vor, individuelle Entscheidungen einzubetten in einen größeren Kontext [ 87 ] (Thorgeirsdottir 2006) .

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Instrument des Informed Consent bei Biobanken an seine Grenzen stößt. Dieser Umstand sollte allerdings nicht dazu verleiten, diesen abzuschaffen, sondern dafür zu sorgen, dass die individuelle Entscheidung in anderen Verfahren eingebettet ist. Dies bedeutet einerseits einen öffentlichen Diskurs, andererseits gut aufbereitete, umfassende Informationen, die nicht nur aus Sicht der Betreiber [ 88 ] verfasst sind, sowie Sicherungsmaßnahmen durch Verfahren bzw. Gremien, wie zum Beispiel Ethikkomitees. Es bedeutet auch eine besondere Verpflichtung gegenüber den Teilnehmern, die Biobank im Interesse des Gemeinwohls zu betreiben. Es wäre in diesem Rahmen sicherlich auch hilfreich, wenn die Beteiligten die Möglichkeiten hätten, gewisse Forschungen auszuschließen. Der Informed Consent der UK Biobank sieht dies nicht vor.

6.4. Öffentlicher Diskurs und Partizipationsverfahren

Eine Möglichkeit wäre, dass vor der individuellen Entscheidung über den Informed Consent eine kollektive Entscheidung oder zumindest eine kollektive Debatte vorgeschaltet ist. Solange nicht eine öffentliche Debatte über die grundsätzlichen Argumente des Projektes stattgefunden hat, fehlen den potenziellen Teilnehmern wichtige Informationen und Gesichtspunkte. Eine öffentliche Debatte bietet die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren, eine wichtige Voraussetzung für einen Informed Consent.

Ziel der öffentlichen Debatte ist es nicht, einen allgemeinen Konsens über den kollektiven Nutzen des Unternehmens "Biobank" zu erzielen. Stattdessen sollten die wesentlichen Argumente, zu denen auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Projektes gehört, vorgetragen, begründet und für alle nachvollziehbar gemacht werden. Rose (2001) und Thorgeirsdottir (2006) sprechen in diesem Zusammenhang die Bedeutung des (kritischen) Wissenschaftsjournalismus an.

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht sich für einen Prozess der gemeinschaftlichen Meinungsbildung aus (public consultation). Sie schreibt in einem Entwurf über Genetic Databases: "Die Rechtfertigung für eine Datenbank ist wahrscheinlich mehr auf gemeinschaftliche Werte und weniger auf individuellen Gewinn zu gründen. (&#8230) Sie führt zur Frage, ob das Individuum von höchster Bedeutung in diesem Zusammenhang bleiben kann." (World Health Organization 2001) [ 89 ]

Während die Debatte in Island im öffentlichen Raum stattfand, wobei kaum die Frage nach dem Nutzen des Projektes thematisiert wurde fand der Diskurs in Großbritannien bisher überwiegend in Expertenkreisen statt. Über verschiedene Nichtregierungsorganisationen und Experten wurden Argumente in das Parlament getragen. GeneWatch (2002) hat für Parlamentarier Informationen aufbereitet und verschiedene Argumente zusammengestellt (siehe Kapitel 4.2.7.). Diese Argumente wurden teilweise aus der Mitte des Parlamentes positiv aufgenommen.

Es erscheint insbesondere bemerkenswert, dass sich der Bericht des Select Committees for Science and Technology an mehreren Stellen positiv auf Forderungen von GeneWatch bezieht und zum Beispiel ausdrücklich die Forderung nach Veröffentlichung der Peer Reviews unterstützt. Der Abgeordnete Ian Gibson hat 2002 gemeinsam mit GeneWatch und der Verbraucherorganisation Consumer′s Association eine Pressemitteilung verfasst.

In Großbritannien hat der Wellcome Trust einige Bürgerforen veranstaltet, um Stimmen über das Projekt der UK Biobank und Verfahren zu sammeln. Diese wurden teilweise aufgenommen. Außerdem findet über das Internet ein Diskussionsprozess statt. So wurde der Entwurf des Ethics and Governance Framework ins Netz gestellt, und Interessierte konnten ihre Meinung zur konkreten Ausgestaltung abgeben. Solche Verfahren scheinen nachahmenswert. Die Verantwortlichen nehmen sich viel Zeit, was insbesondere angesichts der Größe und geplanten Dauer des Projektes von mehreren Jahrzehnten angemessen erscheint.

Allerdings bleibt die Beteiligung der breiten Öffentlichkeit bisher auch ein Manko der Verfahren in Großbritannien. Gerade die Öffentlichkeit aber sollte erreicht werden, denn ihr werden individuelle Entscheidungen bezüglich der Teilnahme an dem Projekt Biobank abverlangt. Es sollte dafür gesorgt werden, dass sie eine Entscheidung auf möglichst informierter Grundlage treffen kann.

Gleichwohl erscheinen die Partizipationsverfahren wie die Bürgerforen und die Diskussionen über das Internet als sehr interessante und nachahmenswerte Instrumente. Sie könnten ergänzt werden durch Veranstaltungen auf kommunaler Ebene, in der direkt Fragen gestellt werden können.

Insbesondere bei Projekten von vergleichbarer Größe erscheint ein behutsames Vorgehen, bei dem viel Zeit in die Planung und Partizipation gesteckt wird, der Problemlage eher angemessen als ein schnelles Vorgehen.

6.5. Datenschutz

Die öffentliche Debatte entbindet die Teilnehmer allerdings nicht von der Frage, wie ihre Interessen gewahrt werden. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Fragen des Datenschutzes, der informationellen Selbstbestimmung und des Rechts auf Privatheit.

In Island bestand offensichtlich eine hohe Sensibilität in Bezug auf die Weitergabe von Patientendaten, was ein entscheidender Faktor in der Auseinandersetzung war. Insbesondere wegen dieser Frage hat sich innerhalb kurzer Zeit ein so starker Protest formiert, dass das Gesundheitsdatenbankgesetz zurückgezogen und relativ stark verändert wurde.

Dabei wurde deutlich, dass es in Bezug auf den Datenschutz bisher keine Lösungen gibt, die den Datenschutz und die Interessen der Forschung gleichermaßen zufrieden stellen können. Eine Lösung, nur aggregierte Daten zur Verfügung zu stellen, ist eine wichtige Voraussetzung für den Datenschutz.

Genau diese Regelung wurde durch das isländische Gesetz für die Gesundheits-daten vorgeschrieben. Dies machte allerdings die Nutzung der Gesundheitsdaten für deCode weniger attraktiv, da der Informationsgehalt von aggregierten Daten geringer ist als von individuellen Daten. Für die pharmakogenetische Forschung ist eine individuelle Zuordnung von genetischen und Gesundheitsdaten notwendig. Darüber hinaus hatte die Firma keinen direkten Zugang zu den Daten mehr und deshalb keine Möglichkeit der Qualitätskontrolle. Beides trug möglicherweise dazu bei, dass sie das Projekt nicht weiterverfolgt hat und stattdessen selbst Blutproben und individuelle Gesundheitsdaten sammelt.

In Großbritannien ist bisher kein Gesetz vorgesehen, das speziell die Nutzung von Daten im Rahmen der Biobank regelt. Nach dem Datenschutzgesetz ist es der Polizei gestattet, im Rahmen von polizeilichen Ermittlungen bei Ausnahmetatbeständen Zugang zu ansonsten geschützten Daten zu erhalten. Der Informed Consent führt diesen Ausnahmetatbestand auf. Der Human Genetic Council ist der Ansicht, es gebe keine hundertprozentige Sicherheit. Darauf müssten potenzielle Teilnehmer hingewiesen werden, wenn ihre Zustimmung zur Teilnahme an der UK Biobank erbeten wird (Bericht des Science and Technology Committee). [ 90 ] Dieser Ansicht schließen wir uns an, wobei verhindert werden muss, dass die Verantwortung auf das Individuum verlagert wird. Insbesondere entbindet es die Betreiber nicht, alle Anstrengungen zu unternehmen, über Prozeduren das Bestmögliche zu tun, um einen Datenmissbrauch zu verhindern, so wie es auch in dem Gutachten von Kollek et al. (2005) ausgeführt wird.

6.6. Rechtliche Regelungen

In Island gibt es im Gegensatz zu Großbritannien ein Gesetz zum Schutz der Patienten und ein Gesetz, das die Einlagerung von Proben in Biobanken regelt. In beiden Ländern gibt es ein Datenschutzgesetz.

Es erscheint angemessen, angesichts der Reichweite von Forschung im Rahmen von Biobanken möglichst viele Fragen gesetzlich zu normieren. Nur so können die Teilnehmer wirkungsvoll geschützt werden, so dass sie ihre Zustimmung auf einer möglichst guten Informationsgrundlage treffen, und nur so kann sichergestellt werden, dass Datenmissbrauch ausgeschlossen wird und Daten nicht für andere Zwecke als vorgesehen verwendet werden.

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