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Biobanken - Konzepte und Umsetzung, Teil 2

Katrin Grüber und Rainer Hohlfeld, Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft, November 2005

4. Fallstudien

4.1. Die isländische Biobank

4.1.1. Kurzbeschreibung

Im Dezember 1998 beschloss das isländische Parlament - das Althingi - ein Gesetz zur Errichtung einer Gesundheitsdatenbank für Island (Act on a Health Sector Database, HSD), das die Erhebung von medizinischen und persönlichen Daten ohne informierte Einwilligung der Befragten vorsieht. Die Daten sollen von den Kliniken und praktizierenden Ärzten des Landes erhoben und einer zentralen Datenbank übermittelt werden. Das Gesetz sieht eine exklusive Nutzung der Datenbank durch die Firma deCode aus Delaware/USA mit der isländischen Tochter Islensk erfdagreining als Lizenznehmer für zwölf Jahre vor. Darüber hinaus autorisiert dieses Gesetz deCode, die Datenbank mit zwei weiteren Datensammlungen, den genetischen und den genealogischen (Stammbaum-)Daten der isländischen Bevölkerung, zusammenzuführen. Die Stammbaumdatenerhebung entwuchs dem alten Hobby der Isländer, Ahnentafeln ohne spezielle Einwilligung aufzustellen.

Die Gesundheitsdaten werden von den Ärzten seit 1915 und ohne besondere Einwilligung erhoben. Auch diese Art der Datenerhebung war für Isländer nicht neu. Neu erhoben werden sollten dagegen die genetischen Daten aus der gespeicherten DNS. Diese drei Datensammlungen bilden das Fundament der Gesundheitsdatenbank, die, bisher einzigartig, phänotypische und genotypische Daten zusammenführen sollte. Die Anforderungen für die Erhebung der Daten für die drei Datenbanken wurden für die Patienten sehr unterschiedlich geregelt. Das Gesetz über die Gesundheitsdatenbank wurde nach erheblichen Veränderungen gegenüber dem ersten Entwurf im Dezember 1998 verabschiedet.

Nachdem das Gesetz verabschiedet war, erhob deCode Gesundheitsdaten. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit der Datenschutzbehörde über Ver-schlüsselungsverfahren und nicht alle Kliniken waren bereit, die Daten herauszugeben. Dies waren wahrscheinlich entscheidende Gründe dafür, dass das Unternehmen deCode bereits Mitte des Jahres 2002 kein Interesse mehr an einer umfassenden Datenbank hatte. Hinzu kam ein verlorener Prozess vor dem Verfassungsgericht, das die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes über die Gesundheitsdatenbank feststellte.

Daher kann davon ausgegangen werden, dass das Projekt gescheitert ist. Allerdings hat die Firma deCode im Laufe der vergangenen Jahre genetische Daten in Bezug auf einzelne Krankheiten von 100.000 Isländern aus der Gesamtbevölkerung von 290.000 gesammelt und sie mit Gesundheits- und genealogischen Daten verknüpft. Dies stellt eine erhebliche Abweichung vom ursprünglichen Konzept dar.

4.1.2. Erwartungen und Ziele bei der Gründung

Kari Stefansson, der Geschäftsführer der amerikanischen Firma deCode, hatte seit 1994 über Multiple Sklerose (MS) gearbeitet und setzte seine Untersuchungen nun in Island mit Hilfe eines Kollegen fort. Island erschien als eine ideale Grundgesamtheit mit 290.000 Einwohnern, darunter auch die Kohorte der MS-Kranken. Zudem wurde der Bevölkerung weitgehende genetische Homogenität unterstellt. Die Forscher machten sich nun auf die Suche (′gene hunting′ im Jargon der Genetiker) nach der genetischen Komponente in einem hoch komplexen Krankheitsgeschehen. Nach dem erfolgreichen Genomprojekt, der vollständigen Sequenzierung des menschlichen Erbmaterials, lag die Suche nach Genen für Krankheiten in der Luft. Die Genetifizierung der Medizin schien nicht mehr aufzuhalten zu sein (vgl. Caskey 1993). In diese Euphorie hinein fiel der Startschuss für die isländische Gesundheitsdatenbank. Zwar hatte sich die Suche nach Krankheitsgenen für Multiple Sklerose bisher als nicht erfolgreich erwiesen (Compston 1999), aber vielleicht lag dies daran, dass in den bisherigen Forschungen die jeweilige Grundgesamtheit zu klein war. Eine größere Grundgesamtheit erschien deshalb viel versprechend. Insbesondere die Kopplung genetischer Daten mit Stammbaumdaten und die Rückverfolgung der Gene über Generationen versprach die Arbeit der ′Gen-Jäger′ sehr zu erleichtern.

Zum ersten Mal konnten in einer Datenbank genotypische und phänotypische Daten mit genealogischen in Beziehung gesetzt werden. In einem Gesundheitssystem mit hochwertiger Datenerhebung und Probenverarbeitung, ergänzt um DNS-Analysen, wurde die Multiple Sklerose zum Paradigma für ein multifaktorielles Krankheits-geschehen (vgl. Rose 2001). Außerdem verbreitete sich die Legende von den besonders homogenen ′Wikinger-Genen′, die die Analyse erleichtern sollten.

Die Politik hatte ein hohes Interesse an dem Projekt von deCode. Die ′Genjagd′ eröffnete neue Arbeitsplätze für junge qualifizierte Naturwissenschaftler, die nicht mehr ins Ausland abwanderten, sondern zu Hause blieben oder sogar aus dem Ausland zurückkehrten und somit zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts sowie zum Ansehen der isländischen Wissenschaft beitrugen. Zudem brachten die Datenbank und die pharmakogenetische Forschung die isländische Biotechnologie-industrie auf den internationalen und ökonomisch konkurrenzfähigen Stand. Wissenschaftlich gesehen konnten die medizingenetischen Fortschritte zum ′Wissensbestand der Menschheit′ beitragen und somit das Image einer kleinen Nation in der Forschung verbessern. Dazu kam: Der Genpool einer homogenen Population als öffentliche Ressource ließ sich wirtschaftlich nutzen, quasi um aus ′Wikinger-Genen′ Gold zu machen. Warum sollten Island-Gene nicht als eine öffentliche Ressource wie Kabeljau oder Hering betrachtet werden? (Adalsteinsson 2003). Vor einigen Jahren hatte es in Island ein Gesetz über die Lizenzvergabe von Kabeljau gegeben, und deshalb war nun der Vergleich von Genen bzw. Gesundheitsdaten mit der Ressource Fisch als öffentliches Gut allgegenwärtig. Die Gesundheitspolitik durfte eine höhere Effizienz und damit eine Kosteneinsparung in einem teuren Gesundheitssystem durch eine verbesserte Prävention und eine maßgeschneiderte Medizin erwarten. Zudem gab es ein Interesse an einer Gesundheitsdatenbank, die nicht mit staatlichen Mitteln finanziert wurde.

Die Regierungskoalition lobte in höchsten Tönen das medizinische und pharmazeutische Hightech-Innovationspotenzial. In dieser Zeit wurde dem isländischen Ministerpräsidenten David Odsson ein besonders enger Kontakt zu Kari Stefansson von deCode nachgesagt. [ 3 ]

Auch für die Wissenschaft war das Projekt einer Gesundheitsdatenbank viel versprechend. Die Zusammenführung unterschiedlicher Datenbanken und die wissenschaftliche Verknüpfung sehr unterschiedlicher Informationen waren sowohl für die Informatik als auch für die Biomedizin eine Herausforderung:

  • Konnte man wirklich genetische Komponenten von komplexen und / oder Zivilisationskrankheiten finden?
  • Ist eine Prädiktion für Zivilisationskrankheiten möglich?
  • Wie sieht das Zusammenspiel mit Umweltfaktoren aus?
  • Wie lässt sich das komplizierte Gefüge konzipieren?

Neben diesen grundsätzlichen Fragen stellt die Biobank die Lösung spezifischer Fragen in Aussicht:

  • Wie wird ein Medikament metabolisiert?
  • Ist eine individualisierte, auf die Enzymausstattung des Patienten maßgeschneiderte Medizin möglich?
  • Erlaubt die Datenbasis Prognosen über die Wirksamkeit der Medikation?
  • Macht sie diese effizienter?

Die betroffenen Patienten und ihre Selbsthilfegruppen waren bereit, DNS und Gewebe zu spenden, damit die Forschung Krankheitsgene [ 4 ] sowie neue Zielscheiben für Therapien und Medikamente ′ihrer′ Krankheit finden konnte. deCode hatte sogar kostenlose Medikamente versprochen. Vor allen Dingen MS-Kranke, die bereits seit Jahren mit Kari Stefansson kooperierten, waren begeistert (Armansdottir*).

Die Frage war, ob kranke Menschen vom Nutzen des Projektes überzeugt werden konnten, obwohl sie von diesem voraussichtlich keinen persönlichen Nutzen haben würden, da eher Aussagen über die Zugehörigkeit zu einer Kohorte, deren Mitglieder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erkranken, zu erwarten waren als Informationen über Individuen. Umfragen belegen, dass der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung das Projekt begrüßte, wobei vor allem die Bedeutung des Vorhabens für die isländische Wirtschaft und isländische Arbeitsplätze im Mittelpunkt der Debatte standen.

Nach Meinung der Kritiker der Nichtregierungsorganisation Mannvernd, des Verbandes der Isländer für Ethik in Wissenschaft und Medizin, wurde das Gesetz ab März 1998 durchgepeitscht [ 5 ], und die öffentliche Debatte, die im Vergleich zu den anderen nordischen Ländern zehn Jahre später stattfand, bereitete die isländische Öffentlichkeit nicht ausreichend auf diesen neuen Fall von Biopolitik vor (vgl. Sigurdsson 2001 und Thorgeirsdottir*).

Im Gegensatz dazu sprachen der Betreiber und andere Kreise von einer beispielhaften demokratischen Debatte, die im Parlament, in der Tageszeitung Morgunbladid und in öffentlichen Veranstaltungen geführt worden sei (Palsson/Rabinow 2005). [ 6 ] Die Gesetzgebung führte zu einem Dissens in der medizinischen und akademischen Gemeinde in Island. Auch international gab es einen wissenschaftlichen Diskurs über die Frage der Privatisierung der Bioinformation und über den Informed Consent (Sigurdsson 2001; Thorgeirsdottir 2006).

In verschiedenen Studien wurde inzwischen nachgewiesen, dass die Population der Isländer genetisch nicht so homogen ist, wie lange Zeit angenommen, sondern eher dem europäischen Durchschnitt entspricht (E. Arnason 2004; Helgason et al. 2005). Laut Lindpaintner* von Roche Genetics führt die genetische Heterogenität dazu, dass in Island gewonnene Ergebnisse gut auf andere Populationen übertragbar sind.

4.1.3. Die Politik der Implementierung

Der erste Entwurf des HSD-Gesetzes

Im März 1998 brachte die Regierung den Gesetzentwurf für eine Gesundheitsdatenbank (Act on a Health Sector Database) in das Parlament ein. Nach der Vorstellung der Regierung sollte das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Der Entwurf enthielt folgende Kernpunkte: Die isländischen Kliniken und praktizierenden Ärzte erheben die medizinischen Daten, die an eine zentrale Datenbank weitergegeben werden. Verstorbene werden mit erfasst, soweit deren Daten verfügbar sind, ebenso Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Eine Zustimmung der Betroffenen ist nicht erforderlich.

Das Gesetz sah ein Nutzungsrecht vor, das zum Wettbewerb ausgeschrieben und exklusiv sein sollte, wobei auf deCode und Stefansson Bezug genommen wurde, so dass alle Beteiligten wussten, dass deCode als der alleinige Nutznießer vorgesehen war.

Dissens ergab sich aufgrund der Regelung, nach der eine Zustimmung der Probanden zur Teilnahme nicht erforderlich war, sondern unterstellt wurde. Der Gesetzentwurf wich darin vom Gesetz über die Rechte der Patienten (Act on the Rights of Patients) von 1997 wesentlich ab, mit dem sich Island an die europäische Gesetzgebung angeschlossen und in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki die informierte Zustimmung als Grundsatz für biomedizinische Forschung bestimmt hatte. Davon ausgenommen waren Datenbanken zum Zwecke der Verbesserung der öffentlichen Gesundheit, aber nur unter der Bedingung, dass die Daten so anonymisiert werden, dass Rückschlüsse auf die Person ausgeschlossen sind und damit das Recht auf Privatheit gewahrt bleibt.

Der erste Datenbankgesetzentwurf stellte das Prinzip auf den Kopf: Das Ausnahmerecht nach dem Patientengesetz wurde zur Regel, die informierte Zustimmung als nicht notwendig angesehen und durch eine vermutete (presumed consent) ersetzt. Die Begründung bei Stefansson lautet: "patients do not need to understand the fine detail of every genetic study to which their data or biological samples might contribute. It is enough that they understand their own desire to contribute to the advancement of science." (Zoega/Andersen 1999: 9) Das mag zwar im Interesse der Forschung sein, ist aber nicht in Übereinstimmung mit der Intention der Helsinki-Deklaration. Nach Artikel 9 des Nürnberger Kodex muss jeder Patient das Recht haben, umfassend über den Forschungszweck informiert zu werden und seine Daten auf Verlangen aus der Datenbank zurückzuziehen (ebd.).

Ein anderes Problem war die mangelnde Datensicherheit. Manche bezweifelten, dass die anonymisierten Daten nicht wieder de-anonymisiert werden können. Wie der Entschlüsselungsexperte Ross Anderson in einem Gutachten für die Isländische Medizinische Vereinigung (Iceland Medical Association) nachwies, ist es bei einer kleinen Population wie in Island leicht möglich, aufgrund der anonymisierten Datensätze die jeweilige Person zu identifizieren (Anderson 1998).

Das Gesetz wurde von praktizierenden Ärzten heftig bekämpft, die das Vertrauensverhältnis zu den Patienten durch die ungefragte Weitergabe der Patientendaten stark beeinträchtigt sahen. Ebenso protestierten Patientenorganisationen gegen die Weitergabe hoch sensibler Daten.

In relativ kurzer Zeit entstand massiver Protest von verschiedenen Seiten. Össur Skarphedinsson*, zur damaligen Zeit Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, führt dies insbesondere darauf zurück, dass das Gesetz handwerklich schlecht gewesen sei und die Interessen von Patienten unberücksichtigt ließ. Aufgrund der massiven Proteste wurde der erste Entwurf zurückgezogen.

Die Regierung brachte vor der Sommerpause im Juni 1998 einen zweiten Gesetzentwurf ein, der sich vom ersten Entwurf vor allem in folgenden Punkten unterschied:

  • Es wurde ein Widerspruchsrecht eingeführt.
  • Die Daten durften nicht mehr individuell, sondern nur kollektiv ab zehn Personen abgefragt werden.
  • Die Verschlüsselungsprozeduren sollten sicherer gemacht und einer Datenkommission zur Überprüfung weitergemeldet werden.

Die Kritik der protestierenden Ärzteschaft in der IMA (Iceland Medical Association) war also nicht ohne Wirkung geblieben.

Die Verabschiedung des Gesetzes

Wenige Tage vor der Verabschiedung des Gesetzes wurde eine Veränderung eingebracht, die den Charakter des Regelwerks grundlegend änderte, allerdings nicht im Interesse der potenziellen Teilnehmer. Das Gesetz regelte nicht mehr nur die Gesundheitsdatenbank, sondern legalisierte darüber hinaus die Verschmelzung von drei sehr unterschiedlichen Datenbanken: der genealogischen, der Gesundheits- und der genetischen Datenbank. Palsson und Hardardottir (2002) nennen dieses große Projekt Biogenetic Project. Die Verwirrung darüber, was unter der isländischen Datenbank zu verstehen ist, erscheint deshalb sehr verständlich. Das Gesetz wurde im Dezember 1998 mit der Regierungsmehrheit verabschiedet (37:20:6).

4.1.4. Der Widerstand gegen das Gesetz und sein Scheitern

Widerspruchsrecht und fehlende Repräsentativität

Bis zum Ende des Jahres 2000 machten etwa 20.000 Isländer von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch. Ihre Namen sind in einer Datenbank niedergelegt. Hauksson* weist auf das Problem hin, dass damit eine Datenbank existiert, in der die persönlichen Meinungen von 20.000 Bürgern gespeichert sind. Da das Einlegen des Widerspruches beim Direktor des Gesundheitswesens einen gewissen Aufwand erforderte, wurde vermutet, dass vor allem engagierte Gegner des Gesetzes aus dem Lager von Mannvernd, die meist höher gebildet sind, zu den Verweigerern gehören und die Gesundheitsdatenbank dadurch disproportional verzerrt wird. Da deCode keinen direkten Zugang zu den Daten hat, gibt es für die Firma keine Möglichkeit der Qualitätskontrolle. Die Aggregation der Daten bedeutet einen großen Informationsverlust (Einar Arnason*).

Petur Hauksson* berichtet, dass die Tatsache, dass Menschen mit geistiger Behinderung keine Möglichkeit hatten, Widerspruch einzulegen, bei den entsprechenden Organisationen zu Empörung geführt hat. Viele Ärzte waren zudem nicht bereit, Patientendaten weiterzugeben, wobei sie von den Selbsthilfegruppen der behinderten Menschen unterstützt wurden. Kliniken - allen voran das "Landspitali National University Hospital", die Hauptklinik von Island - hatten kein Interesse an der Übergabe von medizinischen Daten an deCode, wie es das Gesetz vorsah. Dadurch wurde für jede Klinik ein Einzelvertrag notwendig.

Die Datenschutzkommission reklamierte regelmäßig bei deCode den ständigen Wechsel der Sicherheitsprozeduren bei der Verschlüsselung. Beide schoben sich gegenseitig die Schuld über die Zeitverzögerung in die Schuhe. Dies und die Querelen mit den Kliniken waren wahrscheinlich entscheidende Faktoren dafür, dass deCode das Interesse an dem Unternehmen der Biobank verlor. 2003 teilte deCode einer Einrichtung in den USA mit, es werde die Lizenzgebühr nicht mehr zahlen. [ 7 ]

Einen schweren Rückschlag bedeutete es für die Biobank, als das Verfassungsgericht in seinem Urteil vom 3. März 2003 feststellte, dass das Gesetz zur Datenbank nicht verfassungskonform ist. Im Fall eines verstorbenen Vaters gab das Gericht der klagenden Tochter Recht, dass ihr Recht auf Privatheit nicht gewahrt wäre, wenn die Daten ihres Vaters in die Datenbank kämen. Die genetischen Daten ihres Vaters könnten schließlich auch etwas über sie aussagen. Das Gericht monierte außerdem die unzureichende Verschlüsselung der Daten bei einer so kleinen Population wie der isländischen (Adalsteinsson 2003). Nach Auskunft des Gesundheitsministeriums gibt es Bestrebungen, einen überarbeiteten verfassungskonformen Entwurf in das Parlament einzubringen (Thorsteinsdottir*).

In der Zwischenzeit sammelte deCode DNS-Proben von 110.000 Isländern, gemeinsam mit Informationen über den Gesundheitszustand der Menschen. Die Befürchtung von Petur Hauksson (2005), dass hier eine Datenbank durch die Hintertür eingeführt worden sei, auch wenn sie krankheitsbezogen und nicht umfassend ist, erscheint also plausibel. Gleichwohl kann festgestellt werden, dass das Unternehmen der isländischen Biobank gescheitert ist, auch wenn deCode dies bisher der isländischen Öffentlichkeit nicht mitgeteilt hat (ebd.).

Die Änderung der Firmenstrategie und aktueller Stand

deCode änderte seine Geschäftsstrategie kurzfristig, nachdem das Projekt der Gesundheitsdatenbank gescheitert war (Einar Arnason*). Der Schwerpunkt wurde auf die Produktseite, d.h. die Identifizierung geeigneter Medikamente sowie ihre klinische Prüfung verlegt. Die Firma setzt dabei genetisches Wissen über Kandidatengene und mögliche Targets für Medikamente ein. Dieses Wissen wird durch die genetische Analyse von Isländern, die die entsprechende Krankheit haben, und ihren gesunden Verwandten unter Hinzuziehung genealogischer Daten gewonnen. Statt von einer großen umfassenden Biobank kann, wenn überhaupt, lediglich von verschiedenen kleinen, krankheitsbezogenen Biobanken gesprochen werden, falls die Daten prinzipiell nicht nur einmal, sondern mehrmals verwendet werden. Ziel der Untersuchungen ist die Überprüfung kausaler Hypothesen über mögliche Stoffwechselwege. Die Kenntnis von Kandidatengenen und den von ihnen kodierten Proteinen als potenzielle Zielscheiben von Medikamenten soll die Identifikation gezielter Wirkstoffe erleichtern. deCode gelangt an die Wirkstoffe, indem es entweder die entsprechenden Lizenzen kauft oder mit den Firmen kooperiert, die die Wirkstoffe entwickelt haben.

Das Spektrum an Krankheiten ist relativ groß. In den letzten Jahren hat deCode an medikamentösen Therapien zu Krankheiten wie beispielsweise Herzinfarkt, Asthma, Schlaganfall und Depression gearbeitet. Über Untersuchungen zu den genetischen Faktoren bei der Entstehung der Multiplen Sklerose, die ursprünglich im Fokus stand, ist nichts bekannt.

Für die klinischen Versuche werden die Versuchspersonen gezielt zu so genannten IRCTs (Information-rich Clinical Trials) zusammengestellt. Nach Angaben der Firma beschleunigt diese Herangehensweise die Verfahren für die Überprüfung von Medikamenten. [ 8 ]

Um einen Wirkstoff zur Vermeidung von Herzinfarkt zu idenfizieren, wurden an mehreren Hundert Herzinfarktpatienten und deren Verwandten Varianten des FLAP-Gens (5-Lipooxygenase activating protein) untersucht. [ 9 ] Im Oktober 2003 erwarb deCode bei Bayer die Lizenz für einen Wirkstoff, der den Spiegel von Leukotrienen durch die Bindung an FLAP senken soll. Leukotriene werden mit der Entstehung von Herzinfarkt in Verbindung gebracht. Die Substanz mit dem Namen DG031 befindet sich in der Phase IIa der klinischen Studien.

In Kooperation mit Roche bereitet deCode einen Phosphodiesesterase-Hemmer für Gefäßerkrankungen und Schlaganfall auf klinische Versuchsreihen vor. Außerdem wurde ein Gen, das an der Entstehung von Asthma beteiligt sein soll, kartiert. Anschließend erwarb deCode eine Verbindung, die mit dem Genprodukt interagiert, und testet nun den Wirkstoff in der klinischen Phase II. Außerdem hat deCode, nach eigenen Angaben, durch genetische Forschung Neuregulin 1 entdeckt, ein Protein, welches bei der postsynaptischen Signalübertragung agiert und als möglicher Angriffspunkt für die Schizophrenietherapie gesehen wird. Neuregulin wird gegenwärtig für klinische Studien vorbereitet.

Im Rahmen eines Forschungsabkommens mit Merck, das 2002 geschlossen wurde, werden neue Ansatzpunkte für Medikamente gegen Adipositas gesucht. Nachdem deCode drei Gene identifiziert hat, die mit verschiedenen Stoffwechselwegen der Adipositas in Beziehung stehen sollen, werden nun 17.000 Isländer untersucht.

4.1.5. Die isländische Datenbank in der Praxis

Die Debatte über den Informed Consent

Die Gesetzgebung wird als sehr unübersichtlich angesehen. Durch das Gesetz (Act on a Health Sector Database) werden drei Datenbanken zusammengeführt, die unterschiedliche Anforderungen an die informierte Zustimmung stellen: (1) Für die medizinischen Daten und die Zusammenführung mit den anderen Datenbanken reicht eine Blankovollmacht des vermuteten Konsenses und eine Widerspruchsregelung. (2) Für die Stammbaumdatenbank muss keine Zustimmung eingeholt werden. (3) Für die genetischen Daten, die von deCode mit Hilfe von Vertragsärzten erhoben werden, ist eine schriftliche Zustimmung entweder nach Form 1A oder nach Form 1B erforderlich (V. Arnason 2004).

1A bedeutet, dass der Forscher zu einer einmaligen Nutzung der Probe autorisiert ist. 1B heißt, der Forscher kann die Probe weiter für eine zukünftige Forschung derselben Art benutzen, vorausgesetzt, dass diese von der Datenschutzkommission und dem Nationalen Bioethikkomitee überprüft und genehmigt ist. In allen anderen Fällen von neuen Forschungsfragen entscheidet das Nationale Bioethikkomitee, ob eine erneute Zustimmung erforderlich ist.

Es gilt: Je umfassender die informierte Zustimmung ist, umso geringer ist der Aufwand für die Forschung. Wenn dagegen für jedes Forschungsvorhaben eine erneute Zustimmung eingeholt werden muss, so kann dies kompliziert und beschwerlich sein und dazu führen, dass Probanden aussteigen, wodurch die Datenbank für die Forschung an Wert verliert. Es gibt möglicherweise einen Gegensatz zwischen dem Interesse der Forschung und dem von Probanden. Deswegen schlagen verschiedene in die Debatte involvierte Autoren vor, eine Lösung zugunsten des Kollektivs zu suchen und von der strikten individuellen Regelung der Autonomiefrage abzurücken (Thorgeirsdottir 2006).

Vilhjalmur Arnason macht einen konkreten Vorschlag, der in Anlehnung an Regelung 1B eine "Autorisierung" als Einwilligung vorsieht, die die Sicherheit und den Zugang zur Datenbank beinhaltet, ansonsten die Forschungsfrage offen lässt, da bei der Datenerhebung noch kein Forschungsprotokoll vorgelegt werden kann, das dem betroffenen Patienten erläutert werden könnte. So werde seiner Ansicht nach deutlich, dass die Einwilligung gar nicht informiert erfolgen kann. Er legt deshalb die Frage der informierten Zustimmung in die Hände eines "Research Ethic Committee", das zu entscheiden hat, in welchen Fällen unvorhergesehener Forschung eine neue informierte Zustimmung eingeholt werden muss (V. Arnason 2004).

Die kollektive Lösung wird also in diesem Falle auf einen Dritten, einen Treuhänder, in Form einer staatlichen Kommission verlegt. [ 10 ]

Der gesellschaftliche und politische Diskurs

Abgesehen davon, dass in den Debatten die verschiedenen Datenbanken immer wieder verwechselt wurden, wird bemängelt, dass in diesem sensiblen Fall der Kombination von Biotechnologie, Genetik und Informationstechnologie kein öffentlicher Konsens hergestellt wurde als Voraussetzung dafür, dass ein Bürger sich ein Bild davon machen kann, worum es sich überhaupt handelt. Erst dann ist informierte Zustimmung wirklich informiert.

Die isländische Bevölkerung sei in diesem Falle nur unzureichend auf Zweck und Risiken des Unternehmens hingewiesen worden, meint Adalsteinsson*, und eine Debatte über aktuelle Biopolitik habe in Island im Unterschied zu den anderen nordischen Staaten nicht stattgefunden. Island hinke hier um zehn Jahre hinterher. Nach Thorgeirsdottir* belegen Meinungsumfragen, dass die meisten Isländer vor der ersten Lesung des Gesetzes "keine Ahnung" hatten.

Die Informationspolitik sei sehr einseitig von interessierter Seite, nämlich von deCode und der Regierung erfolgt. Die Regierung habe durch ihren Zeitplan versucht, Öffentlichkeit und Parlament zu "überrumpeln" und ihnen keine Zeit für eine angemessene Debatte gelassen (Sigurdsson 2001).

Andere sprechen im Gegenteil davon, dass der Prozess sehr demokratisch verlaufen sei. "This decision was clearly the product of informed democratic consent, whatever one may think of the substance of the bill." (Palsson/Rabinow 2005). Palsson/Hardardottir (2002) haben Artikel und Zuschriften an das Morgunbladid, die führende Zeitung Islands analysiert. Sie weisen darauf hin, dass es viele öffentliche Veranstaltungen zu diesem Thema gegeben habe und dass im Morgunbladid 569 Artikel und Zuschriften erschienen seien. Möglicherweise kann die unterschiedliche Bewertung des Prozesses damit erklärt werden, dass die Zeitungsanalyse erst beginnt, nachdem der Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht wurde, während andere auch den Zeitpunkt davor in die Bewertung einbeziehen.

Eine Gallup-Umfrage Anfang 2000 im Auftrag von deCode zeigte, dass die Mehrheit der Isländer die Datenbank unterstützte und nur eine Minderheit von 9 Prozent sie ablehnte. In den untersuchten Zeitungszuschriften war das Bild genau entgegen-gesetzt: Hier gab es relativ wenig positive Stimmen, die aus der allgemeinen Öffentlichkeit kamen, während in der Mehrzahl der Zuschriften Kritik geübt wurde, insbesondere seitens der Ärzteschaft (Palsson/Hardardottir 2002).

Mannvernd, der Verband der Isländer für Ethik in Wissenschaft und Medizin, der sich während der Debatte konstituierte, war mit seinen Sprechern stark vertreten. Dazu gehörten Ärzte, Biologen, Genetiker und Philosophen. Im Mittelpunkt der Debatte standen die Frage nach der informierten Zustimmung sowie die Frage, wer Eigentümer der Datenbank sei und wer Zugang zu ihr erhalten solle. Dies wurde häufiger mit der Debatte um die Fangquoten für Fische verglichen. Die Befürworter unter den Wissenschaftlern wiederholten die Erwartungen der Politiker und von deCode an neue Arbeitsplätze und die Förderung der biomedizinischen Forschung.

In mehreren Interviews wurde berichtet, dass die Biobank alltägliches Gesprächsthema war, ob auf Partys oder im Bus, und zwar über einen längeren Zeitraum hinweg, was für Island sehr ungewöhnlich sei. Gleichwohl zeigte der isländische öffentliche Diskurs alle Merkmale eines Expertendiskurses, wenn man die oben genannte Zeitungsanalyse von Palsson/Hardardottir (2002) zugrunde legt.

4.1.6. Sozioökonomische Aspekte

Die Kooperation zwischen privaten Betreibern und Regierung

Aus dem Jahr 1995 stammen erste Überlegungen von Kari Stefansson, dem späteren Mitgründer von deCode, und Kevin Kinsalla, dem Verwaltungschef von Sequana, einer Genomik-Firma in Kalifornien, Island zu einer ausgewählten Population für epidemiologische Studien zu machen, um komplexe genetische Krankheiten zu erforschen. Man musste nur an die genetischen sowie die ′fabelhaften′ Stammbaumdaten der Isländer herankommen. Um ein exklusives Recht an diesen Daten zu erhalten, war es notwendig, die isländische Regierung für die Idee zu gewinnen.

deCode genetics wurde am 26. August 1996 in Delaware von Stefansson und einigen isländischen Biomedizinern mit amerikanischem Risikokapital gegründet. Die isländische Regierung verhandelte allein mit deCode über den Plan und den Gesetzentwurf, ohne das Nationale Bioethikkomitee und die biomedizinische Forschergemeinde Islands zu konsultieren, so dass das Parlament völlig überrascht war, als im März 1998 der Gesetzentwurf vorgelegt wurde (Zoega/Andersen 1999). Umso weniger erstaunt war man unter diesen Umständen, dass deCode den Entwurf geschrieben und der Regierung per Fax zugeleitet hatte. [ 11 ]

Diese außergewöhnliche Kooperation zwischen der Regierung und einer Firma ist wohl nur verständlich vor dem Hintergrund der Euphorie über das Humane Genomprojekt und der Arbeitsplatz- und Fortschrittsversprechungen im Bereich Biotechnologie und Informatik, wie sie von deCode im Jahr 1998 gemacht wurden

Im Februar 1998, also kurz vor dem Entwurf des Gesetzes, schloss Hoffmann La Roche einen Forschungsvertrag mit deCode über 200 Millionen US-Dollar für 5 Jahre ab, was sich positiv auf den Aktienwert von deCode auswirkte. Mit der Verabschiedung des Gesetzes und der exklusiven Lizenz für deCode schnellte der Aktienwert des Unternehmens nochmals in die Höhe. Einige meinen daher, genau darin habe der Haupterfolg des Projektes bestanden. [ 12 ]

Empörung löste die exklusive Lizenz unter Wissenschaftlern in der biomedizinischen Fachgemeinschaft Islands aus. deCode werde Dritten den Zugang zu den Daten verweigern, befürchtete Hilary Rose, sobald kommerzielle Interessen der Firma berührt würden, was beliebig auslegbar sei. Hierdurch seien die Forschungsfreiheit und die konkrete Arbeit von Forschern in Gefahr (Rose*). Wissenschaftler von Mannvernd und Ärzte kritisierten außerdem, dass ihre Datenhoheit und ihr wissenschaftlicher Herrschaftsbereich durch das Monopol verloren gehen könnten (vgl. Palsson/Rabinow 2005: 280). Befürchtet wurde überdies, dass deCode-Wissenschaftler in den Genuss von Wettbewerbsvorteilen kommen könnten.

Außerdem wurde aufgrund des Tatbestands, dass Isländer, unter ihnen viele Ärzte, bei deCode Aktionäre sind, die Gefahr der Abhängigkeit gesehen. So wird von einem Treffen der isländischen Ärzte berichtet, auf dem ein Arzt mitteilte, er könne sich wegen Befangenheit nicht an der Abstimmung beteiligen, da er Aktien besitze.

Die Privatisierung von Bioinformation

Im Fokus der Debatte stand die Vermarktung von Daten und die Tatsache, dass eine private Firma Zugang zu medizinischen Daten erhalten sollte und es wagte, das gemeinsame Erbe der Isländer - ihre Gene - zu vermarkten, und dass sie an der Ausbeutung der Ressource Genpool nicht beteiligt wurden. Das Parlament unterstrich, dass Fischbestände und biomedizinische Daten öffentlicher Besitz seien und Lizenzen für die Nutzung deshalb nur für eine bestimmte Zeit vergeben werden können (Palsson/Rabinow 2005: 283). Die Regierung verlangte deshalb für die Nutzung der Gesundheitsdaten eine Lizenzgebühr von 70 Millionen Kronen jährlich (ungefähr 84.000 Euro) und eine Gewinnbeteiligung von jährlich 6 Prozent.

deCode hat die Vereinbarung zum Ende des Jahres 2003 aufgekündigt. Es begründete dies damit, dass der Betrieb der isländischen Biobank nicht aufgenommen werden konnte, da die Verträge mit der Nationalen Universitätsklinik und der Datenschutzbehörde nicht zustande gekommen waren (Hauksson 2005).

Dennoch blieb auch in der isländischen Debatte ungeklärt, wie der Status der medizinischen Information anzusehen ist. Diese sei mit den ausgeschöpften Fischbeständen nicht vergleichbar, da die Information komplex und vielfältig sei und dementsprechend Forschungsergebnisse nicht antizipiert werden könnten. Datenbanken dieser Art seien daher eher wie eine erneuerbare Ressource zu behandeln (Palsson/Rabinow: 284). Andererseits sei die Kombination aus phänotypischen und genotypischen Daten zu einer Bioinformation nicht mit Organen, Blut und Sperma zu vergleichen, so dass die Weitergabe von Informationen keine Spende, sondern bestenfalls eine Gabe sei (ebd.). Doch was ist der Status einer Gabe? Das bleibt umstritten und ist hochgradig abhängig vom kulturellen und historischen Kontext und wurde auch in Island nicht beantwortet.

Spezifische Aspekte von Island

Island unterscheidet sich aus mehreren Gründen von anderen Ländern. Zum einen war Island das erste Land, in dem eine so umfangreiche Biobank geplant war. Mit dieser Biobank sollten nicht nur viele Menschen erfasst werden, sondern die gesamte Population.

Ein besonderes Charakteristikum an Island ist die geographische Isolation fernab von anderen Ländern. Daraus wurde zu Beginn des Projektes der Biobank die Homogenität der nationalen Population abgeleitet, da man von einer geringen Fluktuation ausging. Diese Annahme drückte sich in dem Motiv aus, die ′Wikinger-Gene′ vollständig, das heißt von allen Isländern, zu erfassen.

Es hat sich allerdings gezeigt, dass die Ausgangsthese nicht zu halten war. Island ist genetisch ähnlich unterschiedlich wie andere Länder Europas. Es ist in dieser Beziehung also nicht besonders, sondern die Ergebnisse können auf andere Populationen übertragen werden.

Fast einzigartig ist die genealogische Datenbank. Es gibt keine anderen Länder mit einer solchen Tradition. Die Informationen reichen teilweise mehr als 1.000 Jahre zurück - also bis zu den Wikingern. Der Umgang mit der familiären Herkunft ist ein altes Hobby - es ist völlig selbstverständlich, dass mit diesen Informationen offen umgegangen wird. Außerdem gibt es einen gewissen Stolz auf die lange Tradition der Genealogie. deCode hat den Isländern die genealogische Datenbank als "book of icelanders" zur Verfügung gestellt. [ 13 ]

Island ist kein sehr großes Land. Es leben dort 290.000 Menschen, davon 150.000 in der Hauptstadt Reykjavik. Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich kennt ist dadurch hoch. Ein Symbol dafür ist die Tatsache, dass sich der frühere Ministerpräsident David Odsson und Kari Stefansson von deCode schon aus der Schulzeit kannten. Außerdem wird dadurch das Problem der Re-Identifikation von Daten gegenüber größeren Ländern verschärft.

Nach Jonatansson (2000) zeichnet sich Island durch eine besondere Liberalität und Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien aus. Nach Rose (2001) haben die Isländer ein noch relativ ungebrochenes Verhältnis zum technischen Fortschritt. Wie in anderen Ländern auch gibt es ein hohes Interesse daran, den Anschluss an eine Hightech-Bioindustrie zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund wurde insbesondere betont, dass mit dem Projekt der Gesundheitsdatenbank und seitens von deCode Arbeitsplätze geschaffen würden und ein Beitrag für das ökonomische Wachstum geleistet würde.

Es ist sicherlich auch eine Besonderheit, dass eine Regierung einen Gesetzentwurf einbringt, an dessen Erstellung die Firma mitgewirkt hat, die davon profitieren soll, und dass eine Regierung davon ausgeht, dass ein Gesetz, durch das eine private Firma exklusiven Zugang zu den Gesundheitsdaten der gesamten Bevölkerung erhalten soll, in wenigen Wochen vom Parlament verabschiedet wird.

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