Ethik und Behinderung. Ein Perspektivenwechsel.
Herausgegeben von:
Sigrid Graumann, Katrin Grüber, Jeanne Nicklas-Faust, Susanna Schmidt, Michael Wagner-Kern
Kultur der Medizin, Band 12
Campus 2004, 197 Seiten
ISBN 978-3-593-37619-6
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Menschen mit Behinderungen leben nach wie vor in einer Umwelt, die nicht ausreichend auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist. Im wissenschaftlichen Diskurs wird ihre Perspektive häufig ausgeblendet, an der ethischen Urteilsbindung in der Gesellschaft werden sie zu wenig beteiligt. Wie aber kann eine Ethik aussehen, die Differenz anerkennt und gleichzeitig die Verletzlichkeit des Menschen berücksichtigt? Diese Frage wird anhand unterschiedlicher Themen diskutiert: der Definition von Behinderung, der Idee der Fürsorgeethik, der Pränataldiagnostik, der Sterbehilfe, der Frage nach einem "Recht auf Verschiedenheit" und weiterer Aspekte.
Mit der von Bundespräsident a.D. Johannes Rau gehaltenen Eröffnungsrede der Tagung "Differenz anerkennen - Ethik und Behinderung, ein Perspektivenwechsel", die von den Herausgeberinnen und Herausgebern dieses Bandes vorbereitet wurde.
Inhalt
Geleitwort
Robert Antretter
Vorwort der Herausgeber
Ethik und Behinderung - In welcher Gesellschaft wollen wir leben?
Johannes Rau
Ethik und Behinderung - Warum ist ein Perspektivenwechsel notwendig?
Sigrid Graumann
Verschiedene Perspektiven auf Behinderung
"Behinderung" - Die medizinische Sicht
Gerhard Wolff
Behinderung als Lebensform und als soziale Barriere
Elisabeth List
Diskriminierung, Genetik und Behinderung
Jackie Leach Scully
Akzeptanz ist zu wenig: Behinderte zwischen Abweichung und Angleichung
Andreas Kuhlmann
Anforderungen an Assistenz
Adrienne Asch
Ethikkonzepte
Behinderung und das Konzept der Care Ethik
Eva Feder Kittay
Respekt statt Ausgrenzung - Die Ethik der "Anerkennung"
Jean-Pierre Wils
Behinderte in ihrer Differenz anerkennen: Selbstbilder empfangen, Respekt erweitern, Fürsorge verstärken
Dietmar Mieth
Bioethik und Behinderung aus narrativer Perspektive
Walter Lesch
Medizin-ethische Fragen
Sterbehilfe im grundgesetzlichen Gemeinwesen
Wolfram Höfling
Sterbehilfe und Palliativmedizin - Der eigene Tod
Linus Geisler
Fremdnützige Forschung mit Kindern
Dietrich Niethammer
Fremdnützige Forschung mit nicht einwilligungsfähigen Menschen
Michael Wunder
Dort anfangen, wo es sich am wenigsten lohnt
Andreas Zieger
Normen, Normalität und Behinderung
"Irgendwo stößt die flexibelste Integration schließlich an eine Grenze" - Behinderung zwischen Normativität und Normalität
Jürgen Link
Selbstbestimmung statt Bevormundung
Josef Ströbl
Biomedizin und Menschen mit Lernschwierigkeiten
Josef Ströbl und Martina Puschke
"It's paradise!"
Ursula Eggli
Die Hölle des Schönen
Christian Mürner
Das Menschenbild der biotechnischen Medizin
Klaus Dörner
Veränderung der Gesellschaft durch neue medizinische Möglichkeiten
Individuelle Selbstbestimmung und vorgeburtliche Diagnostik
Anne Waldschmidt
Selbstbestimmung als Schicksal? Zur Diskussion um Selbstbestimmung im Kontext selektiver Diagnostik
Margaretha Kurmann
Erfahrungen mit genetischer Diagnostik
Christiane Lohkamp
Genetische Interventionen, Eltern-Kind-Beziehung und das Paradox der Elternschaft
Johann S. Ach
Soziale Implikationen eines genetischen "Enhancement"
Ingrid Schneider
Autorinnen und Autoren
Register
Pressestimmen
Der Sammelband bietet eine Fülle von Erfahrungen, Anregungen und Ideen. Bestätigt wird der Eindruck, dass der angestrebte Perspektivenwechsel in der ethischen Debatte über die moderne medizinische Forschung und Praxis unabdingbar ist, dass er allerdings noch weiterer Anstrengungen bedarf. Entscheidend dürfte sich auswirken, ob zwischen Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Perspektiven und Interessen eine Bereitschaft zur Verständigung geschaffen werden kann. Mit diesem Buch wurde ein wichtiger Schritt in diese Richtung unternommen.
Markus Zimmermann-Acklin, Zeitschrift für medizinische Ethik, 4/2005
Der selbst gestellte Anspruch, Kritik an der Bioethik-Debatte anschaulich darzustellen und Gegenentwürfe zu präsentieren, wird nach meinem Eindruck erfüllt. Bei dem angestrebten Perspektivenwechsel sollte man nicht ein neues, in sich schlüssiges Paradigma erwarten. Schon die Vielfalt der vertretenen Fachdisziplinen und die Kürze der Einzelbeiträge zeigen, dass dies nicht das Konzept der Herausgeber war. Vielmehr geht es darum, vermeintliche Selbstverständlichkeiten durch fundierte Kritik aufzubrechen und Angebote zu unterbreiten, in welche Richtungen weiter diskutiert werden könnte. ... Der Tagungsband ermöglicht durch die kurz und bündig gehaltenen Einzelbeiträge einen schnellen Einstieg in die komplexe Thematik.
Dipl.-Soz. Miguel Tamayo Korte, socialnet 28. Juni 2005
Der Sammelband enthält ein breites Spektrum von Artikeln von z.T. namhaften behinderten und nichtbehinderten Autoren und Autorinnen. Sie beschreiben den Perspektivwechsel vom medizinischen Defizitmodell von Behinderung hin zu einem Verständnis von Behinderung, das grundsätzlich das Anders-Sein von Menschen als anerkennungswürdig beschreibt. Dieser Perspektivwechsel wird unter ethischen Gesichtspunkten auf unterschiedlichen Themenfeldern beleuchtet. Das Buch stellt für Tagungsteilnehmer wie für Erstleser eine unverzichtbare Lektüre dar, um auf dem aktuellen Stand der ethischen Debatte zu sein.
IBE ethik-report, 2/2005