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Statement zum Fachforum „Selbstbestimmt Leben und Wahlfreiheit des Lebensorts für behinderte Menschen“

von Ottmar Miles-Paul, Landesbeauftragter für die Belange behinderter Menschen in Rheinland-Pfalz

Tagung "Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zwischen Alltag und Vision", 16. April 2008 in Berlin
Eine Veranstaltung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, organisiert vom Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft

Als ich vor einigen Jahren an einer Konferenz von Disabled Peoples’ International (DPI) in Winnipeg in Kanada teilnahm und den Vortrag des UN-Botschafters von Neuseeland zu den Zielen der damals noch in der Entwicklung befindlichen UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen hörte, wurde mir die Bedeutung dieser Konvention für die Behindertenpolitik klar.

Denn der neuseeländische Vertreter führte sehr eindringlich aus, dass das selbstbestimmte Leben behinderter Menschen mitten in der Gemeinde ein Bürgerrecht sei und dass dieses im Rahmen der Konvention und durch die Aktivitäten in den einzelnen Ländern sichergestellt werden muss. Den Verweis behinderter Menschen auf Heime ohne ihnen adäquate Alternativen zu bieten, bezeichnete er damals schon als Menschenrechtsverletzung.

Einige Jahre später konnte ich dann bei meinem Besuch in Neuseeland selbst erleben, wie dort die Behindertenheime aufgelöst und behinderten Menschen eine breite Wahlmöglichkeit an Wohn- und Unterstützungsformen in der Gemeinde geboten wird.

Diese Erfahrungen vor Augen war ich sehr darauf gespannt, wie der endgültige Konventionstext aussehen würde. Hier also der Text des Artikel 19, der sich mit diesen Fragen beschäftigt in der derzeitigen noch umstrittenen deutschen Version:

Artikel 19:
Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft

Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, und treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern, indem sie unter anderem gewährleisten, dass

a) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben;

b) Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist;

c) gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit Menschen mit Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung zur Verfügung stehen und ihren Bedürfnissen Rechnung tragen.

Abgesehen davon, dass ich und viele andere den Titel dieses Artikels, der im englischen Originaltext „Living Independently and being included in the community“ lautet, mit „Selbstbestimmtes Leben und Inklusion in die Gemeinschaft“ treffender übersetzen würde, gibt dieser Artikel viel für unser Thema her. Setzt er doch einen klaren Schwerpunkt auf das Recht behinderter Menschen mitten in der Gesellschaft und nicht in Sonderwelten zu leben. Und dies ist auch genau die Lehre, die wir aus den Aktivitäten in der Behindertenpolitik der letzten Jahre und der internationalen Entwicklung ziehen müssen. Wir müssen mit voller Kraft dafür sorgen, dass behinderten Menschen der Weg mitten in die Gesellschaft geebnet wird und sie dort die Unterstützung bekommen, die sie brauchen, um selbstbestimmt und gleichberechtigt leben zu können.

Um dies zu erreichen, müssen wir die UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen nutzen und für dessen Umsetzung werben. Hierfür müssen wir die Politik dafür gewinnen, den Geist der Konvention und konkrete politische Beschlüsse zu fassen.

Daher freue ich mich, dass der Landtag von Rheinland-Pfalz bereits im Januar 2008 ein klares Bekenntnis für die vorbehaltlose Ratifizierung der UN-Konvention und die konsequente Beteiligung der Betroffenen im Ratifizierungsprozess sowie bei der Umsetzung durch einen einstimmigen Beschluss abgegeben hat. Dies wurde auch von rheinland-pfälzischen Behindertenverbänden mit Abgeordneten im rheinland-pfälzischen Landtag gefeiert.

Last but not least müssen wir selbst, in den Bereichen, in denen wir aktiv sind, bzw. auf die wir Einfluss haben, dafür sorgen, dass die Konvention umgesetzt und ein Leben behinderter Menschen mit in der Gemeinde verwirklicht wird. Die UN-Konvention kann also einen guten Fokus bieten, um den viel beschworenen Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik weiter voran zu treiben und auch denjenigen, die heute noch in sogenannten Heimen leben, Türen für ein Leben mitten in der Gemeinde zu öffnen.

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