Veranstaltung
Verletzlich in der digitalen Welt? – Behinderung und Normalität
09.12.2016 - 14:00 Uhr bis 09.12.2016 - 19:00 Uhr
Ab 13.00 Uhr Ankommen bei einem kleinen Snack
13.45 Uhr Begrüßung durch apl. Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl im Namen des Wissenschaftlichen Beirats
13.50 Uhr Technik und Behinderung – politische, technische und individuelle Herausforderungen von Assistiven Technologien
- Dr. Linda Nierling; anschließend Diskussion
14.45 Uhr Themenblock Verletzlichkeit
- „Zu was uns unsere Verletzlichkeit veranlasst?“
- - Prof. Dr. Christina Schües, apl. Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl
15.15 Uhr Pause
16.00 Uhr Themenblock Normalität
- „Normalität im Kontext digitaler Medien“
- Prof. Dr. Swantje Köbsell und Prof. Dr. Birgit Behrisch im Gespräch mit Expert_innen mit Behinderung der digitalen Lebenswelt - Rebecca Maskos (leidmedien.de) und Laura Gelhaar (Bloggerin)
17.00 Uhr kurze Pause
17.15 Uhr Themenblock Teilhabe
- apl. Prof. Dr. Andreas Zieger,
- Prof. Dr. Markus Dederich,
- Andreas Bethke, Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.
18.00 Uhr Ende der Veranstaltung
Technik und Behinderung - Dr. Linda Nierling
Die Grenzen und Chancen des Potenzials von Technik, dem Menschen zu “assistieren” ist gegenwärtig der Fokus einer Reihe von wissenschaftlichen aber auch politischer Diskussionen. Allerdings zeigt sich, dass die Verbreitung, Entwicklung aber auch Verwendung von solchen assistiven Technologien komplexer ist, als dies auf den ersten Blick scheint. Basierend auf einem Überblick der zentralen technischen Anwendungen und auch künftigen Visionen wird eine gesellschaftliche Kontextualisierung dieser Technologien vorgenommen, denn letztlich geht es sowohl bei Fragen nach der Regulierung als auch der Technikentwicklung selbst, um Fragen nach „Normalität“ und „Anerkennung der Andersartigkeit“, die schließlich den gesellschaftlichen Kontext auch für „Assisitive Technologien“ darstellen.
Verletzlichkeit - Prof. Dr. Christina Schües, apl. Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl
Menschen sind mehr oder weniger verletzlich. Ihre jeweilige Verletzlichkeit hängt ab von individuellen Fähigkeiten, aber auch von ihren Beziehungen, Umstände und Kontexte, in denen sie leben. Die Angst, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, fallen gelassen zu werden, nicht teilhaben zu können, das tägliche Leben nicht zu bewältigen, diese Angst lässt eine Verletzlichkeit aufscheinen, die nicht einfach nur als Mangel zu deuten ist, sondern dazu aufruft, aus der Perspktive der Verletzlichkeit und des Erleidens dieser Ängste und Wirklichkeiten, gegenwärtige Informations- und Kommunikationstechniken zu erforschen und zu gestalten.
Normalität
Die neuen Medien bieten im Hinblick auf den Zusammenhang von Behinderung und Normalität einerseits eine große Plattform, um ableistische Normalitätsvorstellungen zu verbreiten und so fortzuschreiben und zu bekräftigen. Auf der anderen Seite bietet das Netz jedoch ein großes Potenzial für eine Gegenöffentlichkeit: Behinderte Menschen haben hier die Möglichkeit ihre Sicht des Lebens in einer von Normalitätsvorstellungen nichtbehinderter Menschen geprägten Welt mit den damit einhergehenden Ausgrenzungen und Diskriminierungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese Darstellungen wirken einerseits informativ für die Allgemeinbevölkerung und empowernd in der Peer Community. Gleichzeitig erhöhen die oft sehr persönlichen Beiträge im Netz und in Sozialen Netzwerken die Verletzlichkeit der Autor_innen, die sich nicht nur mit Zustimmung, sondern oftmals mit Kritik und auch persönlichen Angriffen bzw. Schmähungen konfrontiert sehen, die wiederum in direktem Zusammenhang mit Normalitätsvorstellungen stehen.
Dieser Block möchte einen Einblick in die Aktivitäten behinderter Menschen im Netz nachgehen, insbesondere im Hinblick auf die Frage ob/inwiefern diese zum "Brechen des normalitätsorientierten Blicks" auf behinderte Menschen beitragen (können) bzw. inwiefern das Netz für die in der UN-Konvention geforderte Bewusstseinsbildung (Art. 8) genutzt werden kann.
Teilhabe - apl. Prof. Dr. Andreas Zieger
Unter Berücksichtigung klinischer und wissenschaftlicher Erfahrungen im Bereich Neurorehabilitation und Rehabilitationspädagogik wird auf die Ambivalenz digitaler Informations- und technischer Assistenzsysteme für Menschen mit Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Partizpation/Teilhabe infolge einer Schädigung der Körperfunktionen und –strukturen eingegangen. Unbestritten hilfreich sind neue Techniken für den Bereich Kommunikation und Mobilität. Mit Hilfe von Telematik können Therapie- und Nachsorge extern begleitet und supervidiert werden. AAL-Techniken können diverse positive Effekte für den Bereich Selbstsorge und Sicherheit bewirken. Dies erhöht die Möglichkeiten zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben (aktive Partizipation und passives Eingebundensein). Die Entstehung von Barrieren und anderen Exklusionserfahrungen hängen ab von der Finanzierbarkeit, Zugänglichkeit und Bedienungscomfort neuer Techniken. Voraussetzung zu ihrer Anwendung ist stets das Einverständnis der Hilfebedürftigen. Ein Vorrang technischer Hilfen vor persönlicher Zuwendung und Hilfestellung im Sinne eines Teilhabegebotes erscheint aus Gründen der Selbstbestimmung ausgeschlossen.
Teilhabe - Prof. Dr. Markus Dederich
„Vulnerabilität, Exklusion und Ethik. Überlegungen in Anschluss an Butler und Levinas“.
In den letzten Jahren wird zunehmend die Bedeutung der Vulnarabilität (im Sinne von Verwundbarkeit oder Verletzbarkeit) für die politische Philosophie, die Soziologie und die Erziehungswissenschaften erkannt. In Anlehnung an Überlegungen von Judith Butler soll in diesem Vortrag zunächst skizziert werden, wie sich spezifische Vulnerabilitäten auf Prozesse der Anerkennung sowie die Herstellung von Zugehörigkeit und Ausschluss - beispielsweise von Flüchtlingen oder Menschen mit Behinderungen - auswirken. In einem zweiten Schritt soll skizziert werden, wie digitale Medien vermittelnd auf diesen Prozess einwirken. Schließlich wird unter Bezugnahme auf Emmanuel Levinas der Frage nachgegangen, ob und wie eine nichtexklusive Ethik von der Vulnerabilität her gedacht werden kann.
Veranstaltungsort:
Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft
Warschauer Straße 58 A
10243 Berlin
Wir bitten um Anmeldung bis zum 2. Dezember 2016 über das nachfolgende Online-Formular.