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Freunde & Förderer

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Testimonial Berghöfer

Jochen Berghöfer
Jochen Berghöfer, Geschäftsführung Haus Mignon – Institut für Heilpädagogik, Pädagogik und Frühförderung, Hamburg
Die Vision, ein Institut zu gründen mit der Aufgabenstellung, "die Perspektive von Menschen mit Behinderung ... (mehr)

IMEW Stellungnahme zur Biomedizinkonvention

Stellungnahme zum Entwurf eines Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin über Biomedizinische Forschung nebst Entwurf eines Erläuternden Berichtes

Vorbemerkung

Das Bundesjustizministerium hat mit Schreiben vom 9.10.2001 "interessierte Kreise" im Bereich der medizinischen Forschung gebeten, zu obengenannten Entwürfen Stellungnahmen abzugeben, die bei der Meinungsbildung für die Äußerung der Bundesregierung gegenüber dem CDBI berücksichtigt werden. Offensichtlich kann die Bundesrepublik wie andere Länder an den Beratungen mitwirken, obwohl nicht absehbar ist, dass sie das Übereinkommen je unterzeichnen wird.

Die Diskussion um eine mögliche Unterzeichnung hat vor einigen Jahren breite Teile der Gesellschaft erreicht. Mehrere Millionen Menschen haben sich deutlich gegen eine Unterzeichnung gewandt, v.a., weil ein Passus enthalten ist, der fremdnützige Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen im Prinzip zulässt.

Das Zusatzprotokoll, über das nun Konsultationen durchgeführt werden, soll u.a. diesen umstrittenen Passus näher regeln. Die von uns vorgelegte Stellungnahme durch das Institut zum Entwurf des Zusatzprotokolls sowie des Erläuternden Berichtes ist keinesfalls als Aufforderung zu verstehen, das Übereinkommen zu unterzeichnen - im Gegenteil.

Wesentliche Aufgabe des neugegründeten und von neun Verbänden der Behindertenhilfe und Selbsthilfe getragenen Institutes Mensch Ethik und Wissenschaft ist es, die Auswirkungen der modernen Biomedizin insbesondere auf behinderte und chronisch kranke Menschen zu untersuchen (s. dazu beigefügte Gründungserklärung). Deshalb beschränkt sich die Stellungnahme des Institutes auf die Präambel sowie die Artikel 4 (Allgemeine Regel) und18 (Schutz von Personen, die nicht fähig sind, in die Forschung einzuwilligen).

Präambel

Hier heißt es u.a.: In der Erwägung, dass der Fortschritt in den medizinischen und biologischen Wissenschaften, insbesondere die durch die biomedizinische Forschung erzielte Weiterentwicklungen, dazu beitragen, Leben zu retten und die Lebensqualität zu verbessern.

Stellungnahme

Offensichtlich greift die Formulierung der Konvention die vorherrschende Meinung auf, insbesondere die biomedizinische Forschung trage zum Fortschritt bei. Es ist allerdings zweifelhaft, dass die Fokussierung auf biomedizinische Ansätze richtig ist, v.a. wenn das Ziel, wie in der Präambel ausgeführt, die "Verbesserung der Lebensqualität" ist. Es gibt gute Gründe dafür, den medizinischen Fortschritt durch eine Vielfalt von Fragestellungen und Methoden zu sichern wie z.B. die sozialmedizinische Forschung oder die Pflegewissenschaft. Nun ist dies nicht das Ziel der Konvention.

Wenn allerdings die Biomedizin als so besonders angesehen wird, dann erschwert dies eine sorgfältige Abwägung darüber, ob die Forschung überhaupt notwendig sei. Dies ist besonders dann problematisch, wenn die Rechte von nichteinwilligungsfähigen Menschen berührt sind.

Empfehlung

Es wird empfohlen, den Zusammenhang zwischen Biomedizin und medizinischen Fortschritt vorsichtiger zu formulieren.

Artikel 4 (Allgemeine Regel)

Es heißt: Vorbehaltlich dieses Protokolls und der sonstigen Rechtsvorschriften zum Schutz menschlicher Lebewesen ist Forschung frei.

Stellungnahme

Sicherlich ist die Freiheit der Forschung ein hohes Gut. Wenn allerdings Forschung zur Ingenieurskunst geworden ist und die Trennung von Grundlagenforschung und Anwendung praktisch aufgehoben werden, dann sollten andere Regeln gelten. Kollek schlägt z.B. eine Regelung analog der Gewerbefreiheit vor . Dies gilt umso mehr, als die Verzahnung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in den letzten Jahren immer enger geworden ist.

Wenn nun aber die Forschungsfreiheit so herausgestellt wird, dann leiten daraus möglicherweise Forscherinnen und Forscher ungerechtfertigterweise Rechte ab. Dabei werden andererseits gerade durch medizinische Forschung die Rechte anderer tangiert, weshalb besondere Grenzen notwendig sind, die im übrigen nicht nur in Rechtsvorschriften zu finden sind (s. z.B. den Nürnberger Kodex und die Deklaration von Helsinki).

Empfehlung:

Es wird empfohlen, diesen Passus zu ersetzten durch: Biomedizinische Forschung trägt eine besondere Verantwortung.

Artikel 18 (Schutz von Personen, die nicht fähig sind, in die Forschung einzuwilligen)

Hier heißt es (2) In Ausnahmefällen und nach Maßgabe der durch die Rechtsordnung vorgesehenen Schutzbestimmungen darf Forschung, deren erwartete Ergebnisse für die Gesundheit der betroffenen Person nicht von ummittelbaren Nutzen sind, zugelassen werden, wenn außer den Vorausset-zungen nach Absatz 1 Ziffer ii, iii, iv und v zusätzlich die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind.
i) die Forschung hat zum Ziel, durch eine wesentliche Erweiterung des wissenschaftlichen Verständnisses des Zustands, der Krankheit oder der Störung der Person letztlich zu Ergebnissen beizutragen, die der betroffenen Person oder anderen Personen nützen können, welche derselben Altersgruppe angehören oder an derselben Krankheit oder Störung leiden oder sich in demselben Zustand befinden.
ii) Die Forschung bringt für die betroffenen Personen nur ein minimales Risiko und eine minimale Belastung mit sich und Erwägungen im Hinblick auf einen möglichen weiteren Nutzen der Forschung dürfen nicht herangezogen werden, um ein höheres Maß an Risiken und Belastungen zu rechtfertigen.

Stellungnahme

Aus dem wörtlichen Zitat wird unmittelbar deutlich, wie wenig präzise die einzelnen Begriffe sind und wie viel Interpretationsspielraum gerade bei diesem höchst umstrittenen und heiklen Problemfeld gegeben wird. Es ist zweifelhaft, dass das Ziel dieses Artikels (Schutz von nichteinwilligungsfähigen Menschen) so erreicht wird. Es stellen sich insbesondere folgende Fragen

  • Wie wird die Einwilligungsunfähigkeit der Menschen definiert?
  • Wie werden minimales Risiko und minimale Belastung definiert?
  • Reicht es aus, dass der betroffene Mensch den Versuch auch nonverbal ablehnt oder muss er/sie sich dazu äußern?
  • Wer definiert, inwieweit die Forschung zu einer "wesentlichen Erweiterung des wissenschaftlichen Verständnisses" beitragen kann

Empfehlung

Es wird empfohlen, die notwendigen Präzisierungen aller o.g. Begriffe vorzunehmen. In Erläuterungen finden sich hier hilfreiche Hinweise. Im Übrigen sollte generell das Wort Person durch Mensch ersetzt werden, damit es keinen Interpretationsspielraum gibt.

Schlussbemerkung

Abschließend sei noch einmal betont, dass auch bei einer möglichen Veränderung des Zusatzprotokolls nicht zu einer Unterzeichnung der Konvention oder dieses Protokolls geraten werden kann.

Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft
Dr. Katrin Grüber

Berlin, 30.11.2001

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