Angela Keppler

Ein Blick auf Tod und Sterben in Film und Fernsehen

 

Vortrag bei der Tagung "Tod und Sterben in den Medien"

Berlin Sept. 2008

 

1. Medien und soziale Wirklichkeit[1]

 

Seit es Medien gibt, stellt sich den Menschen, die mit diesen Medien Umgang haben, die Frage, wie sich denn Medialität und Realität überhaupt zueinander verhalten. Alle einfachen Antworten erweisen sich in diesem Zusammenhang rasch als verfehlt. Denn es ist nicht so, dass die Medien entweder die Realität verfälschen oder aber die Realität ein Erzeugnis medialer Prozesse ist. Solche Auskünfte lassen sich nur geben, so lange man glaubt, „Medialität“ und „Realität“ säuberlich voneinander trennen zu können. Nach der Wirklichkeit von etwas zu fragen, bedeutet jedoch immer, nach seiner – und nach der Art seiner – Zugänglichkeit als Wirklichkeit zu fragen. Diese Zugänglichkeit ist stets von Möglichkeiten des Umgangs geprägt, in denen dem Menschen etwas als Wirklichkeit seines Lebens begegnet. Die Formen der technisch vermittelten Kommunikation stellen eine Art eines solchen Umgangs und damit: eine Art der Gewinnung sozialer und kultureller Wirklichkeit dar. Dies ist nicht irgendeine Art, denn – wie jeder weiß – ohne die Realität der Medien lebten wir in einer anderen Realität. Den Medien der technisch vermittelten Kommunikation kommt für die Verfassung der gegenwärtigen Gesellschaften eine tragende Bedeutung zu.

Das Verhältnis von Wirklichkeit und Medien-Wirklichkeit lässt sich somit nicht als ein „Abbildmechanismus“ begreifen, sondern als einen eigenständigen Prozess der „Wirklichkeitskonstruktion“ – d.h. einer fortwährenden Herausbildung und Differenzierung von Verständnissen dessen, was im gesellschaftlichen Kontext als real und irreal, relevant und irrelevant gilt. Die Bedeutung der Medien kann daher angemessen nur erforscht werden, wenn die Funktion der technischen Kommunikationsmedien in ihrer Stellung innerhalb der sozialen Welt betrachtet wird. Sie sind ein bestimmender Teil dieser Welt. Anders als die Welt der Natur, die wir mit Hilfe unserer wissenschaftlichen Konstruktionen erschließen, ist die soziale Welt eine durch die Praktiken sozialen Handelns erst erzeugte Welt. Sie ist durch menschliche Praxis entstanden, und dies wiederum in einer Weise, in der sich das Erzeugende – die Arten gesellschaftlicher Praxis – zusammen mit seinen Erzeugungen – den Verfestigungen dieser Praxis – herausbildet und verändert.

Die soziokulturelle Welt, bedeutet dies, ist nicht aus vereinzelten Absichten heraus erdacht und gemacht worden, sie ist mit der kollektiven Herausbildung bestimmter Tätigkeiten und Tätigkeitsfelder so entstanden, dass sie unabhängig von diesen Tätigkeiten und ihren Verfestigungen gar nicht existiert. Das bedeutet zugleich, dass es keine – medialen oder sonstigen – sozialen Verhältnisse gibt, die das Verhalten in diesen Verhältnissen so kanalisieren würden, dass ihnen im Handeln nur noch blind gefolgt werden könnte. Vielmehr sind diese Verhältnisse durch Spielräume des Verhaltens gekennzeichnet, in denen soziale und kulturelle Prozesse ihre Wirklichkeit haben. Dies gilt auch und gerade für die Aufnahme medialer Präsentationen. Denn die unterschiedliche Struktur medialer Produkte schlägt sich in unterschiedlichen faktischen Rezeptionsweisen der in den Produkten selbst angelegten potentiellen Rezeptionsmöglichkeiten nieder.

Auch hierbei bildet Wirklichkeit der Alltagswelt die Basis unserer Deutungen und Bewertungen. Einen Großteil unserer Erfahrungen vollziehen wir – in Übereinstimmung mit unserem Alltagswelt-Wissen – routinemäßig; wir nehmen Ereignisse als unproblematisch wahr, wenn sie mit unserem vorhandenen Wissen übereinstimmen. Wir arbeiten dabei mit Typisierungen und Rezeptwissen, das es uns ermöglicht, dass wir nicht in jeder Situation erneut überlegen müssen, wie wir etwas einordnen, interpretieren, mit Bedeutung versehen sollen. Dieses Verhältnis: Alltagswelt als „Wirklichkeit par excellence“ zu erleben und das gleichzeitige Wissen um das Vorhandensein von Zonen, die „außerhalb meiner bzw. unserer Reichweite“ existieren, ist nun im Hinblick auf das Verhältnis von lebensweltlicher und medialer Wirklichkeit von zentraler Bedeutung.

 

2. Mediale Erfahrung[2]

Vor diesem Hintergrund kann die Frage nach dem Verhältnis von Alltags-Wirklichkeit und Medienwirklichkeit nicht mehr lauten, wie sich Realität und ihre mediale Wiedergabe oder Verarbeitung zueinander verhalten, sondern sie muss sich darauf beziehen, welche Rolle die Medien und die durch sie vermittelte Kommunikation für unser Wirklichkeitsverständnis spielen. Diese Frage betrifft ebenso die Art und Weise der audiovisuellen Präsentation medialer Produkte wie die Frage nach deren Einfluss auf die Vorgänge der Rezeption. Und hier reicht es bei weitem nicht aus, einen passiven Übernahmeprozess anzunehmen. Die Ausgangsüberlegung muss vielmehr sein, dass die Konstruktion medialer Wirklichkeit sowohl auf Seiten der Produzenten wie der Rezipienten ein aktiver Vorgang ist.

Dies lässt sich am Begriff der "medialen Erfahrung" verdeutlichen. Die Begegnung mit Situationen, in denen sie nie waren und nie sein werden, ist für die heutigen Menschen vor allem Dank der „Massenmedien“ Radio und Fernsehen und durch die diversen Möglichkeiten der online-Kommunikation zu einem höchst alltäglichen Ereignis geworden. Die Situation, die erfahren wird, ist bei der Verfolgung einer Kriegsberichterstattung oder eines Fußballspiels im Fernsehen, aber auch bei einem Telefongespräch oder einer Video-Konferenz eine gänzlich andere als die, in der erfahren wird. Hier ist die „Situation der Erfahrung“ nicht länger deckungsgleich mit der „erfahrenen Situation“. Die Wahrnehmung von Situationen jenseits der eigenen leiblich-praktischen Situation kann und muss von dem Subjekt dieser mittelbaren Wahrnehmung gleichwohl auf die eigene Situation bezogen werden. Die Situation der medialen Wahrnehmung ist also immer eine Situation der Aneignung der medialen Präsentationen. Durch diese Aneignung sind mediale und reale Situation miteinander verzahnt. Diese Aneignung verleiht dem Wahrgenommenen eine Bedeutung im Kontext der übrigen Lebenssituationen. Sie vollzieht sich als interpretative und kommunikative Handlung innerhalb der alltäglichen Situation. Dennoch ist die mediale Erfahrung hierbei nicht länger nur eine Vor- oder Nachbereitung der existentiellen Erfahrung. Sie ist ein eigener Typus der Erfahrung, durch den entfernte oder fiktive Wirklichkeiten erschlossen werden, denen die Subjekte dieser Erfahrung eine Bedeutung für ihren Lebensvollzug zuweisen können. Mediale Erfahrung, in diesem Verständnis, ist eine Erfahrung von Situationen außerhalb der Reichweite des eigenen Handelns, in Reichweite der eigenen lebensweltlichen Situation.

Diese Erläuterung allerdings greift noch zu kurz. Empirische Forschungen zur medialen Praxis zeigen, dass sich die Dynamik der heutigen, vielfach medial geprägten Erfahrungen nur zusammen mit der intersubjektiven Aktualität dieser Erfahrungen zu verstehen ist. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass die Sendungen des Fernsehens, dass Filme und Videos, dass Webseiten und Computerspiele nicht allein höchst unterschiedliche Präsentationen, sondern dass sie selbst Ereignisse sind, die als ein alltäglicher Bestandteil des eigenen Lebens erfahren werden – und dort einen wichtigen Bezugspunkt auch und gerade des sozialen Austauschs bilden.

Wenn wir also den Beitrag erkunden wollen, den die Medien zur Konstruktion der sozialen Welt leisten, etwa zum kultu rellen Bewusstsein von Tod und Sterben, müssen wir die kulturellen Praktiken erkunden, durch die im erfahrenden Gebrauch dieser Medien wirklichkeitsrelevantes Orientierungswissen hervorgebracht wird. Durch welche sprachlichen, filmischen, dramaturgischen Mittel, so ist zunächst zu fragen, werden Ereignisse, Sachverhalte dargestellt und aufbereitet, fiktional und experimentell imaginiert? Welche Mitteilungsformen, Konventionen, Gattungen der Berichterstattung und Narration werden dabei eingesetzt? Wie haben sich diese historisch entwickelt? Wie kann man sie beschreiben? Welche inhaltliche Selektion findet dabei statt?

Im zweiten Schritt stellen sich die Fragen: Wie werden die medialen Angebote genutzt, welche Wirklichkeitskonstruktionen werden bei den Rezipienten in Gang gesetzt? Wie werden also Medienangebote verarbeitet und angeeignet? Kurzum: Wie tragen die Massenmedien

zur Bildung und Umbildung der Relevanzen bei, die für die soziale Wirklichkeit in einer globalisierten Welt leitend sind?

3. Personen und Figuren[3]

Für unser Thema ist dabei der Umgang mit Fiktionen von entscheidender Bedeutung – die Erfahrung fiktionaler Wirklichkeiten, die sich wesentlich über eine Anteilnahme an dem Schicksal der in ihnen agierenden Figuren vollzieht. Die medientheoretisch entscheidende Frage gilt auch in diesem Zusammenhang gilt Differenz zwischen medialer und alltäglicher Kommunikation: Beruhen "Identifikationen" und/oder "Distanzierungen" mit bzw. von Medienfiguren auf einer Gleichsetzung der medialen Wirklichkeit mit der Wirklichkeit des alltäglichen Handelns – oder haben sie vielmehr eine klare Grenzziehung zwischen beiden zur Voraussetzung?

Meine These lautet hier, dass es einen grundsätzlichen Unterschied macht, ob wir uns in einer Interaktion mit Personen oder mit Figuren befinden. Dieser Unterschied hat weitreichende Folgen für identitätsstiftende Wirkungen/sozialisierende Kraft der jeweiligen Interaktion. Zu dieser These freilich gehört die ergänzende Annahme, dass das Interesse an der (quasi-) Interaktion mit Figuren wesentlich in der sozialen Erfahrung der Interaktion mit (echten) Personen fundiert ist. Menschen, mit denen wir im alltäglichen Leben zu tun haben, nehmen wir als Personen wahr; Menschen hingegen, denen wir beim Betrachten einer Fernsehserie begegnen, nehmen wir (zumeist) wie Personen wahr, wissend, dass sie keine realen Personen, sondern Figuren einer fiktiven Handlung sind.

Die Helden einer Fernsehserie etwa sind Typisierungen, die aus einer Abstraktion sozialer Akteure und ihrer individuellen Züge gewonnen sind; wirkliche Personen hingegen sind immer je besondere Individuen, die wir manchmal – etwa im Klatsch – sozial typisieren, d.h. einer allgemeinen Kategorie zuordnen. Soziale Typisierungen bilden hier zwar häufig den Hintergrund etwa für moralische Be- bzw. Verurteilungen eines spezifischen Verhaltens oder auch manchmal einer Gesamtperson, doch diese Typisierungen sind nie von ewiger Dauer, sie können wechseln und dies tun sie auch, manchmal sogar innerhalb ein und desselben (Klatsch-)Gesprächs. In der konkreten Interaktion mit einem sozialen Gegenüber sind jedoch stets die individuellen Züge und individuellen Ausprägungen der je spezifischen Person handlungsleitend. Mit den Veränderungen, denen die Personen unterliegen, verändern sich auch die Schemata, die ihnen zugedacht werden; diese beiden Veränderungsprozesse bilden im sozialen Leben eine Einheit. Dies unterscheidet sie von den Figuren einer Fernsehserie. Diese verkörpern einen bestimmten Typus Mensch und bleiben sich deshalb im wesentlichen gleich, solange das Drehbuch ihnen nicht einen Gestaltwechsel verordnet, was aber nur sehr selten passieren darf, wenn die Serienfigur ihre Kontur nicht verlieren soll. Diese Fixiertheit der Charaktere ist hier – anders als im wirklichen Leben, wo man sich in ganz unterschiedlichen sozialen Situationen miteinander vertraut machen oder halten, in dem man sich aber auch voneinander entfernen oder entfremden kann – die Voraussetzung für eine Vertrautheit des Betrachters mit den Figuren. Man kennt die "Regel" der Figur und man kann nach dieser Regel das Spiel ihrer Welt verfolgen, wobei es nicht selten – von Seiten der Zuschauer – zu einem Spiel mit dieser Welt kommt.

 

4. Ein Spiel mit Tod und Sterben[4]

Auch die Behandlung des Todes in Film und Fernsehen, soweit sie innerhalb fiktiver Formate geschieht, stellt in diesem Sinn ein Spiel mit dem Tod dar – ein Durchspielen von menschlichen Möglichkeiten, und existentiellen Erfahrungen, wie es häufig auch für die Sphäre der Kunst kennzeichnend ist. Dabei erweisen sich gerade auch manche Serien des Fernsehens als ein in einem bestimmten Sinn kritisches Medium. Ihre Produzenten nämlich sind aus ökonomischen Gründen ästhetisch gezwungen, existentielle und soziale Erfahrungen der jeweiligen Gegenwart aufzunehmen – und diese in einer Weise zu verarbeiten, die die Zuschauer in einer zugleich vertrauten und doch fremden oder zumindest befremdlichen Weise berühren. Man kann sagen: Sie beziehen ihr auf Unterhaltung ausgerichtetes Innovationspotential aus dem Potential lebensweltlicher Probleme und Konflikte, die in ihnen auf eine zugespitzte Weise dramatisiert werden.

Ein einschlägiges Beispiel hierfür ist die Serie Six Feet Under – eine Familienserie, die durch ihren zentralen Schauplatz (ein Wohnhaus, das zugleich ein Bestattungsinstitut beherbergt) von der Präsenz des Todes im Leben handelt.

Erstes Beispiel: Fiktive Fernsehserien: Six Feet Under

SFU greift alltägliche Erfahrungen auf, alltägliche Erfahrungen aber, von denen jeder von uns nur eine sehr ungefähre Vorstellung hat, es sei denn, er oder sie hat in ihrem eigenen Leben bereits konkrete Erfahrungen mit dem Tod eines Angehörigen oder Freundes etc.

Denn normalerweise ist der Tod heute für uns kaum greifbar, da er auch im öffentlichen Raum der Medien meist nur in extremen Form zur Erscheinung kommt, etwa bei Unfällen, kriegerischen Aktionen oder Anschlägen oder in aufwendigen Inszenierungen wie dem "öffentlichen Sterben" des Papstes Johannes Paul II. Die erschütternde Alltäglichkeit und alltägliche Nähe des Todes kommt hier gerade nicht vor.

Das Besondere der Serie SFU liegt demgegenüber gerade darin, dass der Tod wieder dahin kommt, wo er eigentlich auftritt, in den Alltag der fiktionalen Charaktere. Dies geschieht durch den Kunstgriff der Inszenierung des Alltags eines Bestattungsunternehmens, den wir alle nicht kennen, von dem wir uns aber eine Vorstellung machen. Diese Integration in den Alltag findet statt, indem auf traditionelle Deutungsmuster/traditionelles Wissen/ Routinewissen, das wir normalerweise nicht hinterfragen, zurückgegriffen wird, wie es etwa in Redewendungen zum Ausdruck kommt wie: "Man darf einen anderen Menschen im Streben nicht alleine lassen" oder: "man muss den Zurückbleiben Angehörigen Trost spenden, ihnen beistehen". Solchen Floskeln wird hier ein anschauliches, nicht selten bizarres, manchmal komisches, aber an entscheidenden Stellen auch wieder tröstliches Leben eingehaucht – wodurch eine Artikulation der ständigen Anwesenheit des Todes im Leben geleistet wird, die für die Zuschauer Deutungsmöglichkeiten ihrer eigenen Situation eröffnet.

In SFU geschieht die Trauerarbeit immer in Auseinandersetzung mit der Familie. Angewiesensein/ Bezogensein auf andere darin besteht das Grundmotiv und die Grundhaltung der Serie.

Die Realität heute sieht schon seit etlichen Jahren anders aus:

Bereits 2002 schrieb die Illustrierte "Der Stern": In HH wurden in diesem Jahr 2145 Tote anonym beerdigt - Geldknappheit und fehlende Familienbande sind die Gründe. Vor 15 Jahren gaben die Deutschen noch mehrere Tausend Euro für eine Beerdigung aus, heute wird mit Billigbegräbnissen ab 275,- Euro geworben.

Ähnliches wurde erst vor wenigen tagen mit anderen Worten in der Talkshow Scobel auf 3sat von Bestattungsunternehmern wie Kulturwissenschaftlern wortreich beklagt.

Muss man also nicht zumal vor diesem Hintergrund eine Serie wie SFU einfach als "unrealistisch" bezeichnen? In meinen Augen wäre dies verfehlt. Zwar handelt es sich einerseits um eine Serie, in der die dargestellten Ereignisse per definitionen nicht in dem Rhythmus, in der Logik, Langsamkeit und Zufälligkeit wie im alltäglichen Leben eintreten. Andererseits ist es aber eine durchaus lebensnahe Verschränkung denkbarer Situationen und Vorgänge, die hier vorgeführt wird – in einer gebündelten (und trotz des Todesthemas nicht durchweg ernsten – man denke an den Vorspann) Form, die geeignet ist, die Vorurteile des Publikums zu irritieren oder gar zu revidieren. Mit ihrer Ästhetik der Verschränkung des Bestattungsgewerbes mit einem fortlaufenden Familiendrama, und den immer neuen Variationen, die einer im Grunde gleich bleibenden Ausgangssituation ab gewonnen werden, werden immer wieder Situationen des Umgangs mit dem Tod vorgeführt, die unvermeidlich die Frage nach dem richtigen Umgang hiermit aufwerfen. Die Serie zeigt immer wieder, in Varianten, wie mit Trauer umzugehen ist und dass es darum geht, Menschen zu begleiten, d.h. sie mit ihrer Trauer nicht allein zu lassen. Gerade weil es Serienfiguren und nicht konkrete Nachbarn, Freunde, Familienmitglieder etc. sind, die hier agieren, können wir stellvertretend mit Ihnen Erfahrungen machen – mediale Erfahrungen die unsere Alltagserfahrungen nicht ersetzen, die sie auch nicht bestimmen können, aber doch ihre Verarbeitung beeinflussen können.

Zusammenfassend für dieses Serienbeispiel kann man sagen, dass typisch für SFU die Integration des Todes - wohlgemerkt des Todes und nicht des Sterbens! - in den Alltag der sozialen Gemeinschaft ist.

Zweites Beispiel: Ein Werbespot - der Firma Hornbach:

Auch hier haben wir ein Spiel mit dem Tod bzw. mit Bildern von ihm!

Im Unterschied zum ersten Beispiel hat dies hier aber die Konsequenz einer Negation der Todeserfahrung.

Gegen den Tod wird hier die Rüstigkeit alter Menschen ausgespielt, für die es handwerkend noch immer etwas zu tun gibt, und die daher stets "noch keine Zeit" zum Sterben haben. In einer stereotypen Darstellung kommt hier eine Ästhetik der Verdrängung von Alter, Tod und Sterben ins Spiel.

Drittes Beispiel: Öffentliche Diskussion um Sterbehilfe

Ein drittes Beispiel das wiederum anders gelagert ist, ist die Diskussion um Tod und Sterben, wie sie in den Feuilletons der großen Zeitungen ausgetragen wird und im Fernsehen zuletzt einen regen ihren Widerhall fand – der Fall des Roger Kusch, der das Geschäfts-Prinzip vertritt, dass auch der eigene Tod von hinreichend rüstigen Menschen aktiv geleistet werden kann – gewissermaßen nach dem Grundsatz: auch hier gibt es immer noch etwas zu tun. Wie in der Diskussion zur Sprache kam, liegt diesem Verständnis ein durchaus illusionärer Begriff von Selbstbestimmung zugrunde.

Der zugespitzt lautet: auch Schwerkranke soll man so lassen wie sie sind. Vergleicht man das mit der Botschaft der Serie SFU z.B. so lautet hier die Botschaft gerade andersherum, nämlich, dass man

Menschen nicht alleine lassen soll und darf, gerade dann wenn es um den Umgang mit dem Tod geht.

Aber auch in Talkshows vom Charakter Hart aber fair oder Scobel finden sich aktuell vermehrt Stimmen wie z.B. der Bischöfin Käsmann aber auch agnostische Positionen, die für eine soziale Zulassung und Begleitung des Geschehens von Sterben und Tod plädieren.

Eine dieser Stimmen ist diejenige des Theologen Dietmar Mieth (2008), der die sozial gefährliche Vision eines grenzenlos selbstbestimmten Lebens kritisiert. Denn: Der Kranke ist „nur scheinbar befreit, wenn er alle Kontexte und personalen Betroffenheiten auf sich nehmen muss.“ Tatsächlich wird dem Sterbenskranken, der sich zuvorderst nach Gemeinschaft sehnt, eine Einsamkeit zugemutet, die ihn endgültig erdrücken muss.

Drei Beispiele für eine öffentliche Bearbeitung des Themas Tod und Sterben, die uns für eine Diskussion zum Thema genügend Anlass bieten sollten.

 



[1] Vgl. dazu: Keppler, Angela (2005), Medien und soziale Wirklichkeit, in: Jäckel, M. (Hrsg.), Mediensoziologie. Ein Lehrbuch, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 91-106.

Keppler, Angela (2001) Mediales Produkt und sozialer Gebrauch. Stichworte zu einer inklusiven Medienforschung, in: Sutter, T./Charlton, M. (Hrsg.), Massenkommunikation, Interaktion und soziales Handeln, Opladen: Westdeutscher Verlag, S.125-145.

 

[2] Keppler, Angela (1994), Tischgespräche. Über Formen kommunikativer Vergemeinschaftung am Beispiel der Konversation in Familien, Frankfurt/M.: Suhrkamp.

 

[3] Vgl. dazu: Keppler, Angela (1996), Interaktion ohne reales Gegenüber. Zur Wahrnehmung medialer Akteure im Fernsehen, in: Vorderer, P. (Hg.), Fernsehen als "Beziehungskiste". Parasoziale Beziehungen und Interaktionen mit TV-Personen, Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 11-24.

 

[4] Vgl. auch: Keppler, Angela (2006), Mediale Gegenwart. Eine Theorie des Fernsehens am Beispiel der Darstellung von Gewalt, Frankfurt/M.: Suhrkamp.