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Verbot vorgeburtlicher Gentests spätmanifester Krankheiten - Stellungnahme zum Entwurf eines Gendiagnostikgesetzes (GenDG)

Ethik-Forum der Gesellschafter-Verbände des IMEW, 03. März 2009

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Die Verbände, die das Institut, Mensch, Ethik und Wissenschaft (IMEW) tragen, möchten in Ergänzung zu ihrer Stellungnahme vom 13.01.2009 zum vorliegenden Entwurf der Bundesregierung für ein Gendiagnostikgesetz (GenDG) nochmals betonen, wie wichtig ein Verbot der Pränataldiagnostik von spätmanifestierenden Krankheiten ist.

Das Gendiagnostikgesetz soll eine gute Untersuchungspraxis für genetische Untersuchungen festschreiben und Schutz vor den besonderen Risiken im Zusammenhang mit genetischer Diagnostik gewährleisten. Besonders wichtig ist dem Gesetzgeber hierbei die Wahrung der informationellen Selbstbestimmung. Das Recht auf Nichtwissen eines Kindes, das möglicherweise ein Risiko für eine spätmanifestierende Krankheit in sich trägt, wird jedoch bei einer pränatalen Diagnose verletzt. Da sich die Krankheit erst im Erwachsenenalter manifestiert, bietet eine frühere Diagnose keinen Gewinn an therapeutischen Optionen. Zu bedenken ist auch, dass sich die Mehrheit der Risikopersonen für spätmanifestierende Krankheiten gegen eine Diagnostik entscheidet. Es gibt also mehrere Gründe für ein Verbot der pränatalen Diagnose spätmanifestierender Krankheiten, denn nur dadurch erhält das betroffene Kind die Möglichkeit, im Erwachsenenalter selbst die Entscheidung darüber zu treffen, ob es eine genetische Untersuchung vornehmen lassen möchte oder nicht.

Weiterhin ist festzustellen, dass pränatale Untersuchungen auf spätmanifestierende Krankheiten keine präventiv therapeutischen Möglichkeiten für das Wohlergehen des Kindes eröffnen, sondern lediglich eine Entscheidung darüber, die Schwangerschaft auszutragen oder abzubrechen. Da sich die Erkrankung des Kindes erst im Erwachsenenalter manifestiert, ist eine rechtserhebliche Belastung, die es unzumutbar für die Frau macht, die Schwangerschaft fortzusetzen, sehr unwahrscheinlich. Auch aus diesem Grunde ist zu kritisieren, dass der Gesetzentwurf kein Verbot vorgeburtlicher Gentests für spätmanifestierende Krankheiten vorsieht.

Auf der Anhörung von Sachverständigen zum Entwurf des Gendiagnostikgesetzes wurde von einigen Sachverständigen vorgetragen, dass derzeit in Deutschland die pränatale Diagnose von spätmanifestierenden Krankheiten nicht vorkommt. Dies kann als Indiz für die Tatsache gewertet werden, dass in der deutschen Rechtslage eine solche Untersuchung konsequenzlos bliebe. Da international die Durchführung solcher Untersuchungen jedoch stark diskutiert wird und in einzelnen Fällen bereits vorkommt, wäre es im Sinne einer vorausschauenden Politik sinnvoll, diese Regelung in Form eines Verbotes jetzt einzuführen. An vielen Stellen zeigt sich, wie wichtig eine Politik ist, die Rahmenbedingungen formuliert, bevor sich eine kritikwürdige Praxis etabliert. Das Recht auf Nichtwissen, das die meisten Risikopersonen für spätmanifestierende Krankheiten für sich in Anspruch nehmen, ist ein wesentlicher Schutzgegenstand des geplanten Gesetzes, daher ist in diesem besonderen Fall ein Verbot der pränatalen Diagnose spätmanifestierender Krankheiten geboten.

Abschließend sei noch einmal betont, dass die Verbände, die mit ihrer Arbeit für die Belange von Menschen mit Behinderung eintreten, den vorliegenden Gesetzentwurf als differenzierten Ansatz zur Problemlösung begrüßen, da ein dem Charakter gendiagnostischer Untersuchungen entsprechendes, angemessen hohes Schutzniveau vorgesehen ist.

Berlin, den 03.03.2009

Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus e.V. (ASbH), Münsterstr. 13, 44145 Dortmund.

Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAG SELBSTHILFE), Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf.

Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V. (BeB), Postfach 33 02 20, 14172 Berlin.

Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V. (BVKM), Brehmstr. 5-7, 40239 Düsseldorf.

Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. (BVLH), Raiffeisenstr. 18, 35043 Marburg.

Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP), Karlstr. 40, D-79104 Freiburg i. Br.

Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V.(ISL), Herrmann-Pistor-Str. 1, 07745 Jena.

Sozialverband VdK Deutschland e.V., Wurzerstr. 4a, 53175 Bonn.

Verband für anthroposophische Heilpädagogik, Sozialtherapie und soziale Arbeit e.V.,Schloßstr. 9, 61209 Echzell-Bingenheim.

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