Stellungnahme zur geplanten Einrichtung eines Deutschen Ethikrats
Gemeinsame Stellungnahme der Träger des IMEW, 19. Oktober 2006
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Neue Entwicklungen in Medizin und Biologie führen immer wieder zu tief greifenden ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Kontroversen, die den Gesetzgeber herausfordern. Es ist daher unbestritten, dass es einen großen Bedarf an Politikberatung in diesem Feld gibt. Ebenso nachvollziehbar ist das Bedürfnis, über neue bzw. verbesserte Rahmenbedingungen medizin- und bioethischer Politikberatung nachzudenken. Die von der Bundesregierung am 12. Juli diesen Jahres mit einem Gesetzentwurf (Bundesratsdrucksache 546/06) auf den Weg gebrachte Implementierung eines "Deutschen Ethikrats", angestoßen mit dem "Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung des Deutschen Ethikrats (Ethikratgesetz – EthRG)", weist jedoch in die falsche Richtung:
- Die intensiven öffentlichen Debatten über medizin- und bioethische Fragen in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass tragfähige und wirklich demokratische Entscheidungen des Gesetzgebers nicht auf Empfehlungen, die ein Expertengremium hinter verschlossenen Türen erarbeitet hat, sondern auf den Ergebnissen transparenter, lebendiger und vielstimmiger Diskussionen in Beratungsgremien und in der Öffentlichkeit aufbauen müssen.
- Tragfähige Gesetzgebung in diesem Feld ist auf die intensive parlamentarische Auseinandersetzung mit medizin- und bioethischen Problemfeldern im Austausch mit der breiten Öffentlichkeit angewiesen. Ein Ethik-Beratungsgremium kann daher nur an das direkt gewählte Parlament angebunden sein.
- Medizin- und bioethische Kontroversen durchziehen alle gesellschaftlichen Gruppen und politischen Lager. Deshalb muss die Zusammensetzung eines Beratungsgremiums von allen im Parlament vertretenen Fraktionen bestimmt werden. Nur so kann der Vielfältigkeit von Positionen, Perspektiven und Betroffenheiten in der Gesellschaft Rechnung getragen werden.
- Betroffene und interessierte Bürgerinnen und Bürger wollen nicht lediglich informiert werden, sie wollen sich an Diskussionen und Entscheidungsfindungen beteiligen. Ein Beratungsgremium muss daher mit öffentlichen Veranstaltungen und Anhörungen die betroffenen und interessierten Bürgerinnen und Bürger in seine Beratungen einbeziehen.
- Betroffene Bürgerinnen und Bürger vertreten sich über ihre zivilgesellschaftlichen Organisationen auch in europäischen und internationalen Zusammenhängen selbst. Ein "Deutscher Ethikrat" als reines Beratungsgremium ist nicht legitimiert, "deutsche Positionen" zu medizin- und bioethischen Fragen zu vertreten.
Die Verbände, die das Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft tragen, sprechen sich somit für ein Gremium der medizin- und bioethischen Politikberatung aus, das direkt beim Deutschen Bundestag angesiedelt und durch diesen unmittelbar und vollständig legitimiert ist. Ein solches Beratungsgremium muss zudem jederzeit transparent arbeiten; es muss die vielfältigen Positionen in der Gesellschaft repräsentieren und Bürger bzw. Betroffene aktiv in die Beratungen einbeziehen.
Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus e.V. (ASbH), Münsterstr. 13, 44145 Dortmund.
Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAG SELBSTHILFE), Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf.
Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V. (BeB), Postfach 33 02 20, 14172 Berlin.
Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V. (BVKM), Brehmstr. 5-7, 40239 Düsseldorf.
Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. (BVLH), Raiffeisenstr. 18, 35043 Marburg.
Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP), Karlstr. 40, 79104 Freiburg i. Br.
Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL), Herrmann-Pistor-Str. 1, 07745 Jena.
Sozialverband VdK Deutschland e.V., Wurzerstr. 4a, 53175 Bonn.
Verband für anthroposophische Heilpädagogik, Sozialtherapie und soziale Arbeit e.V., Schloßstr. 9, 61209 Echzell-Bingenheim.