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Robert Antretter: Begrüßung

Rede anlässlich der Eröffnungsveranstaltung des "Institutes Mensch, Ethik und Wissenschaft" am 1. März 2002 in Berlin

Es ist mir eine große Ehre, Sie zu unserer heutigen Eröffnungsveranstaltung des Institutes "Mensch, Ethik und Wissenschaft" im Berliner Abgeordnetenhaus begrüßen zu dürfen. Wir treten heute mit dem von neun Behindertenverbänden, Einrichtungsverbänden und Sozialverbänden Deutschlands gegründeten Ethik Institut erstmals vor die Öffentlichkeit. Im Einzelnen sind dies:

  • Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus (ASbH) e. V.,
  • Bundesvereinigung Lebenshilfe (BVLH) e. V.,
  • Bundesverband Evangelische Behindertenhilfe (BEB) e. V.,
  • Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte e. V. (BVKM),
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte (BAGH) e. V.,
  • Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP)
  • Interessenvertretung "Selbstbestimmt Leben" in Deutschland e. V. (ISL),
  • Sozialverband Vdk Deutschland e.V.
  • Verband für anthroposophische Heilpädagogik Sozialtherapie u. soziale Arbeit e. V.

Ich freue mich sehr, dass ich aus dem Kreis der Politik, der Wohlfahrtspflege, der Wissenschaft und der Medien eine Reihe namhafter Persönlichkeiten begrüßen darf.

Besonders erwähnen möchte ich den Vorsitzenden des Kuratoriums der Aktion Mensch, Herrn Müller-Probst. Ohne die tatkräftige und großzügige finanzielle Hilfe der Aktion Mensch wäre die Gründung des Instituts nicht möglich gewesen. Mit ihrem Engagement bringt die Aktion Mensch zum Ausdruck, dass sie es für erforderlich hält, in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um bioethische Fragestellungen den Menschen "Gewicht und Stimme" zu verleihen, die behindert und deshalb auf die Solidarität und den Schutz der Gesellschaft besonders angewiesen sind. Dieser Vertrauensvorschuss ist für die Gründungsgesellschafter - ich schicke dies voraus - eine Verpflichtung, unsere ganze Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, um das Institut zu einer wissenschaftlich anerkannten Institution heranreifen zu lassen, die sich gerade auch den Frage- und Problemstellungen behinderter Menschen verpflichtet sieht.

Einer ganzen Reihe von Einzelpersönlichkeiten verdanken die Verbände, die sich zu einer Instituts-GmbH zusammengeschlossen haben, nicht nur die Idee, sondern auch die ersten tatkräftigen Anstöße zur Gründung des Instituts. Herr Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner ist heute leider verhindert. Außerdem möchte ich namentlich nennen:

  • Herrn Dr. Paolo Bavastro,
  • Herrn Dr. Günter Dörr,
  • Frau Dr. Katrin Grüber,
  • Herrn Dr. Heinz Kammeier,
  • Frau Reneé Krebs,
  • Herrn Dr. Michael Wunder.

Dies sind nur einige Namen unter vielen, die sich auf bewundernswerte Weise engagiert und die Gründungsgesellschafter inspiriert haben, ein Ethik-Institut ins Leben zu rufen. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich aus zeitlichen Gründen die vielen Persönlichkeiten aus den Gründungsverbänden selbst, die ehren- und hauptamtlich in vielen Vorbereitungstreffen ihren großartigen individuellen Beitrag zur Verwirklichung des Institutsgedankens geliefert haben, nicht einzeln erwähne, sondern allen gemeinsam danke!

Lassen Sie mich nun die Entstehungsgeschichte des Instituts skizzieren:

Die Entwicklungen der Biomedizin, insbesondere die Erforschung der genetischen Struktur, beschäftigen viele. Wissenschaftler verkünden, der Mensch könne schon in naher Zukunft geklont werden, es sei möglich, den Alterungsprozess des Menschen aufzuhalten, es könne gelingen, Menschen zu optimieren und gegen Krankheiten immun zu machen.

Nun gibt es keine seriöse Erkenntnis darüber, ob diese Verheißungen eintreffen. Aber unabhängig davon: wie ist die Gesellschaft darauf vorbereitet, wenn so vieles technisch machbar erscheint? Entwickelt sich ein Menschenbild, das sich nur noch an der Hybris eines "perfekten Menschen" orientiert? Müssen Kranke und behinderte Menschen befürchten, an den Rand gedrängt zu werden - als "Überbleibsel" einer Medizin, die nicht in der Lage ist, Krankheiten zu besiegen und das Auftreten von Behinderungen zu vermeiden?

Es hat lange - allzu lange - gedauert, bis es gelungen ist, die fürchterliche Unterscheidung zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben im Nazi-Deutschland aufzuarbeiten. Erst seit 1994 bekennen wir uns auch in unserem Grundgesetz dazu, dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigte Bürger dieses Landes sind.

Soll dies nur eine Episode bleiben? Gilt die Behinderung schon bald wieder als "Makel"? Müssen Eltern, die sich ganz bewusst für ein behindertes Kind entscheiden, damit rechnen, dass die Gesellschaft ihnen vorwirft, angesichts der wissenschaftlich medizinischen Entwicklung hätten sie die Geburt des behinderten Kindes vermeiden können?

Während sich die Kräfte, die sich für einen möglichst unbegrenzten wissenschaftlichen Fortschritt einsetzen, schon sehr früh formiert haben, hat die Behindertenbewegung in Deutschland zunächst Schwierigkeiten gehabt, gesellschaftspolitisch Schritt zu halten. Gleichwohl war das Engagement nicht wirkungslos! Ich erinnere daran, dass die Bioethik-Konvention des Europarats in Deutschland bis heute nicht ratifiziert worden ist, weil viele Selbsthilfegruppen behinderter Menschen und zahlreiche Behindertenverbände Fürsprecher in der Politik gefunden haben, die vor Fehlentwicklungen gewarnt haben.

Doch es hat lange gebraucht, um auch zu der Erkenntnis zu gelangen, dass sich die Behindertenbewegung an der wissenschaftlichen Diskussion selbst beteiligen muss.

Menschen mit Behinderung sind Teil dieser Gesellschaft. Sie wirken in allen gesellschaftlichen Bereichen mit. Sie sind diejenigen, die uns im Alltag immer wieder vor Augen führen, was eine humane Gesellschaft ausmacht. Sie sind zum Teil selbst als Wissenschaftler tätig. Sie kennen Forschung und Lehre. Deshalb ist es nahe liegend, dass sie auch an der wissenschaftlichen Diskussion mitwirken. Dieser Grundgedanke hat viele Personen, viele Selbsthilfegruppen, zahlreiche Behindertenverbände dazu bewogen, das Institut "Mensch, Ethik und Wissenschaft" zu gründen. Mehr als drei Jahre haben diese Menschen darüber diskutiert, wie es gelingen kann, die Interessen behinderter Menschen so zu bündeln, dass ein Institut geschaffen wird, das sich mit ethischen Fragen, insbesondere mit gentechnischen und medizin- und gesundheitsethischen Problemstellungen befasst und vor dem Hintergrund der "historischen Reflexion", die gerade in Deutschland unverzichtbar ist, ethische Konzeptionen entwirft und Positionen entwickelt, die auf den grundlegenden menschlichen Fähigkeiten zum Mitgefühl und zur Kooperation beruhen.

Viele der Einzelpersönlichkeiten, die ich genannt habe, haben an der Gründungserklärung des Instituts "Mensch, Ethik und Wissenschaft" mitgewirkt. Die Gründungsgesellschafter sind in diesen Diskussionsprozess erst eingetreten, als die Diskussion bereits mitten im Gange war. Sie haben dann ihr gesamtes "Know-how" eingebracht, insbesondere um die Organisation und die Finanzierung des Instituts sicherzustellen.

Das Institut "Mensch, Ethik und Wissenschaft" ist das gemeinsame Werk vieler engagierter Menschen. Wir - die Gründungsgesellschafter - sollten uns daher in Bescheidenheit üben und uns dazu bekennen, dass wir dieses - unser - Institut aufbauen wollen, um der Deutschen Behindertenbewegung eine Plattform und eine Beratungsstelle auch im Bereich der bioethischen Wissenschaften zu verschaffen. Gleichzeitig - auch dies will ich betonen - werden die das Institut tragenden Verbände sich natürlich auch in Zukunft eigenständig am gesellschaftspolitischen Diskurs beteiligen. Der heutige Tag markiert nur nach außen einen Neubeginn in der Form der Gründung des Instituts. Nach innen findet ein kontinuierlicher Prozess, an dem viele mitgewirkt haben, einen vorläufigen Höhepunkt.

Wir - die Behinderten -, Einrichtungs- und Sozialverbände - hoffen, dass es uns gemeinsam mit den Mitgliedern des Kuratoriums, des wissenschaftlichen Beirats, mit den neuen hauptamtlichen Mitarbeitern gelingt, die bioethische Diskussion zu bereichern und die Stellung behinderter Menschen in unserer Gesellschaft zu stärken.

Meine Damen und Herren! Ihre Anwesenheit zeigt mir, dass Sie sich diesen Zielen verbunden fühlen. Dafür und für Ihr Kommen danke ich Ihnen sehr herzlich!

Weitere Artikel:

Programm der Eröffnungsveranstaltung des IMEW am 1. März 2002

Bischof Franz Kamphaus: Der Mensch hat nicht Wert, der Mensch hat Würde

Prof. Dr. Anne Waldschmidt: Wozu ein weiteres (Ethik-)Institut?

Dr. Katrin Grüber: Das Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft

Fotos der Eröffnungsveranstaltung

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